Moin leeve Lüüd! ¡Buenas a tod@s!
Ich bin Jens und habe mich kurzerhand dazu entschieden, noch einen Blog zu schreiben. Als Deutscher mit Migrationshintergrund – wie es heute ja so schön genannt wird – werde ich oft dazu aufgefordert, etwas über das Heimatland meiner Mutter zu erzählen. Da ich die ersten sechs Jahre meines Lebens zu großen Teilen in Barcelona verbracht habe und auch so über die Jahre eine sehr starke Verbindung zu Spanien entwickelt habe, tu ich dies natürlich sehr gerne.
Obwohl ich hier in Hamburg geboren bin, einen friesischen Vornamen habe, einen deutschen Vater und mein Aussehen meiner Meinung nach eher deutsch als spanisch ist, habe ich schnell gemerkt, was es bedeutet, einen Migrationshintergrund zu haben. Im Kindergarten und in der Grundschule war das kein Problem, den Kindern war es egal, dass ich Zuhause nur Spanisch sprach und dass ich immer die Unterhaltungen mit meiner Mutter ins Deutsche übersetzen musste (mit ihr durfte ich nur Spanisch reden, egal, wer anwesend war; zur Not wurde die Unterhaltung danach halt auf Deutsch übersetzt, damit die deutschsprachige Familie, mein Vater oder Freunde wussten, worum es ging).
Doch auf dem Gymnasium sah es etwas anders aus. Nein, ich wurde nicht diskriminiert oder ähnliches. Aber es gab immer wieder Situationen, in denen ich merkte, dass ich doch nicht so bin, wie die anderen. Das lag wohl daran, dass an meiner Schule eh nur wenige einen Migrationshintergrund hatten. Von meinem Abiturjahrgang (dank des Doppeljahrgangs immerhin ca. 200 Abiturienten) waren vielleicht 30 Ausländer oder „halbe Ausländer“ (was auch immer das sein soll). Machte ich einen Rechtschreibfehler, vergaß ich mal ein Komma oder brachte ein Sprichwort durcheinander kam oft ein „Das ist ok, du bist ja Ausländer“ oder „Das macht nichts, du bist ja kein richtiger Deutscher“ vom Tischnachbarn. Dies hat wohl dazu geführt, dass ich mich immer mehr mit Spanien identifiziert habe, vielleicht aus Trotz, vielleicht aus einem Gefühl der Kränkung heraus, vielleicht auch nichts von beidem. Tatsache ist jedoch, dass ich heute zwischen zwei Welten lebe. Ich weiß über jedes wichtige Thema in beiden Ländern Bescheid, weiß um die vielschichtigen Probleme beider Gesellschaften, egal ob sozialer oder politischer Natur, höre Musik von hier und da, kenne spanische Talkshows, Nachmittagsprogramme etc. genauso gut wie die deutschen und habe zu fast allem eine Meinung. Ob die nun richtig ist oder nicht, darüber lässt sich bekanntlich streiten.
Wie schon gesagt, bin ich zweisprachig aufgewachsen, wenn man das Katalanische dazu zählt, dann dreisprachig, wobei ich Zuhause – bis auf einige Wörter und Ausdrücke, die wir im Spanischen verwenden – nie Katalanisch spreche. Das liegt daran, dass meine Familie in Katalonien spanischsprachig ist (Ende der 60er aus Süd-Alicante eingewandert) und meine Mutter Katalanisch erst sehr spät in der Schule lernte (Katalanisch wurde erst ab 1983 schrittweise zur Unterrichtssprache) und noch vor dem Abi nach Deutschland kam. Ich liebe Sprachen und spreche sechs Sprachen fließend (Spanisch, Deutsch, Katalanisch, Portugiesisch, Englisch und Galicisch). Außerdem habe ich gute Kenntnisse in Niederdeutsch, Französisch und Okzitanisch. Ich habe zwar mehrfach angefangen, Türkisch, Kurmancî-Kurdisch, Baskisch und Persisch zu lernen, aber meine Geduld hat nicht ausgereicht, um mich langfristig mit dem Erlernen dieser Sprachen zu widmen. Vielleicht ist es deshalb auch nicht verwunderlich, dass ich mehrere Semester Spanische Sprachwissenschaften in Hamburg studiert habe (inkl. mehrerer Portugiesisch- und Katalanischkurse). Im Moment studiere ich Übersetzung und Dolmetschen (Spanisch/Englisch/Französisch) an der Fernuniversität Kataloniens (Universitat Oberta de Catalunya).
So, genug von mir! Ich hoffe, dass ihr ein paar interessante Sachen aus meinen Blogeinträgen mitnehmt und freue mich über Kommentare, Anregungen, Themenvorschläge, Kritik oder sonstiges :)
Bye, bye, hasta otro ratito, eh?!
Moin,
mir hat dein Beitrag zum Baskischen sehr gefallen. Ich setze mich seit ich denken kann mit linguistischen Fragestellungen auf sehr naiv-laienhafter Ebene auseinander und suche in der Formenvielfalt aller möglichen Sprachen immer wieder nach Gemeinsamkeiten. Das Baskische hat es mir angetan, obwohl ich es nicht spreche oder lerne, da ich glaube, dass seine Ursprünge vor der letzten Eiszeit liegen und es einen ganz bedeutsamen Mosaikstein unseres Werdegangs in Europa dargestellt, der leider immer noch zu wenig beleuchtet wurde/wird. Rückzugsgebiete in den Bergen haben über Tausende von Jahren die unterschiedlichsten Eroberer davon abgehalten, die Bevölkerung und/oder ihre Sprache auszurotten – wie erstaunlich. Dass sie dem enormen Assimilationsdruck stand hielten ist ebenso herausragend wie erfreulich.
Gracias, y un saludo desde Kiel
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Hi Jens,
hast du zu deinen Beiträgen auch eine „wissenschaftliche“ Version? Habe nirgends anderswo einen so informativen Beitrag zum Caló gelesen, kann ihn aber leider nicht für mein Linguistik Essay heranziehen, weil er auf einem Blog veröffentlicht wurde… super schade
Trotzdem ganz toller Eintrag!
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Hey @Atide,
nee, leider kann ich dich nur an die Quellen verweisen, die ich am Ende der Beiträge verlinkt habe. Die meisten sind zwar auf Spanisch oder Katalanisch, aber es gibt auch einige auf Englisch und Deutsch. Vielleicht bringt dir ja das Paper von Adiego über den stimmlosen palatalen Frikativ was…oder die Arbeit von Krinková (From Iberian Romani to Iberian Para-Romani Varieties), die ist aber online nur teilweise verfügbar. Viel Erfolg bei deinem Essay!
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Hallo :)
Ich wollte mich nur einmal kurz bedanken für deine interessanten Einträge. Ich studiere Romanistik und mache zur Zeit mein Erasmussemester in Valencia. Dabei belege ich ein Modul, dass sich mit der Sprachgeschichte Spaniens und der einzelnen Sprachvarietäten beschäftigt. Das Lesen deiner Einträge hat mir doch sehr weiter geholfen :)
Ganz liebe Grüße,
Aram
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Bona vesprada, Aram! Dankeschön, freut mich, dass dir die Beiträge weitergeholfen haben :) Viel Spaß weiterhin in València!
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Hola Jens,
einfach super, Deine Einblicke in die spanische Seele, DANKE ! Wunderbar, 2-sprachig
aufzuwachsen !
Hab ich gestern erst entdeckt und vielen Freunden in D. weitergeschickt,
ich lebe seit 19 Jahren auf Mallorca, spreche fließend spanisch, und möchte nirgendwo anders leben,
trotzdem hilft mir vieles, was Du schreibst, Spanien noch besser zu verstehen,
z.B. den Katalanen-Konflikt, der uns allen hier quer liegt, im Bekanntenkreis sind die
Meinungen auch gespalten, ich bin für die Einheit Spaniens,
nur sind Deine Ausführungen etwas zu lang, man muss schon mächtig Geduld am Monitor
mitbringen…
un saludo cordial,
Hans Lindner,
Fotograf,
Mallorca
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Hola Hans!
Freut mich, dass dir mein Blog gefallen hat! Dass manche Einträge sehr lang geworden sind, habe ich schon öfter gehört und ich kann mich nur bei jedem bedanken, der bis zum Ende durchgehalten hat :) Das Problem ist halt, dass mir, wenn ich über Themen schreibe, wo wirklich mein Herzblut drin steckt (z.B. der Katalonien-Konflikt, Sprachen), immer wieder Dinge einfallen, die ich unbedingt noch erwähnen muss, damit man es verstehen und nachvollziehen kann…und am Ende ensteht dann eher ein Essay als ein Blog-Eintrag. Aber ich werde versuchen, mich kürzer zu fassen und den Inhalt vielleicht auf mehrere Einträge zu verteilen :D
Saludos desde Hamburgo,
Jens
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Bitte bleib bei deinen langen Texten, jede Zeile die fehlen würde, würde fehlen!
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