Wenn es etwas gibt, was die meisten Menschen mit Spanien verbinden, dann ist das wohl das Mittelmeer. Mit einer Küste, die viel schöner kaum sein könnte, pulsierenden Metropolen wie Barcelona und Valencia, Touristenmagneten wie Mallorca, Ibiza, der Costa Brava und der Costa Blanca, einer reichen Kultur und Geschichte und nicht zuletzt mit der sprachlichen Vielfalt, hat diese Region für so gut wie jeden etwas zu bieten. Es sei denn, man mag Schnee. Aber selbst der befindet sich keine zwei Autostunden von Barcelona entfernt.
Das Mediterrane Spanien bildet an sich keine zusammenhängende Region. Zwar gibt es kulturelle, historische und sprachliche Gemeinsamkeiten, jedoch ist jeder Teil einzigartig. Die Region wird in Spanien auch Levante genannt, vor allem von Leuten aus Madrid etc. Levante (nicht zu verwechseln mit den, auch als Levante bezeichneten, Ländern des östlichen Mittelmeers) bezeichnet den geografischen Ort, wo die Sonne aufgeht („donde se levanta el sol“), also den Osten. So gibt es auf Mallorca eine Region im Osten, die Llevant genannt wird (um Cala Rajada, Manacor und Cala Millor herum). Auch in Katalonien bezeichnet man einen Teil der Küste als „Costa del Llevant“. Es kommt also immer auf die Perspektive an. In der Autonomen Gemeinschaft Valencia wird der Begriff heute eher kritisch betrachtet. Während der Franco-Diktatur bediente man sich nämlich des Namens „Levante Español“, um die Region zu bezeichnen, mit der Absicht, nicht die ursprünglichen Bezeichnungen wie „Lo Regne“ (das Königreich) oder „País Valencià“ (Valencianisches Land) zu benutzen und so Autonomiebestrebungen zu unterbinden.
Die Autonomen Gemeinschaften, die das Mediterrane Spanien bilden, sind folgende: Katalonien, die Balearen, Valencia und Murcia. Zwar liegt der Osten Andalusiens auch am Mittelmeer, diese Regionen lasse ich allerdings hier bewusst aus, da sie vor allem kulturell und historisch sehr wenig mit den restlichen gemein haben. Was die Regionen nämlich historisch und kulturell vereint ist, dass sie Teil der Krone Aragoniens waren. Katalonien relativ früh (ab 1137 n. Chr.), später kamen dann im Laufe der Reconquista noch Valencia und die Balearen dazu. (Anfang des 13. Jhd.). Murcia war nur zwischen 1296 und 1304 Teil der aragonesischen Krone, jedoch siedelten im 13. Jhd. mehrere tausend Aragonesen und Katalanen dort, die nach einem Feldzug dort geblieben waren. Murcia wurde vorher von den Mauren regiert (erst als Teil des Kalifats von Córdoba, später als unabhängiges Taifa-Reich) und wurde erst ab Mitte des 13. Jhd. Teil der Krone Kastiliens. Der aragonesische und katalanisch-valencianische Einfluss in der Region ist aber bis heute sichtbar, auch wenn der arabisch-mozarabische Einfluss durch die längere maurische Besatzung um einiges stärker ist als z.B. in Katalonien.
Katalonien, Valencia und die Balearen vereint zudem die katalanische Sprache. Sie breitete sich im Rahmen der Reconquista vom Norden Kataloniens nach Valencia und die Balearen aus. Zwar gibt es Bewegungen, die der Meinung sind, dass das valencià und balear eigenständige Sprachen sind, diese Bewegungen sind allerdings in der Minderheit. In der modernen Sprachwissenschaft gibt es keinen Zweifel daran, dass alles nur Varietäten der katalanischen Sprache sind. Sprachlich sind sie zwar verbunden, trotzdem sind die einzelnen Gebiete kulturell ziemlich unterschiedlich. Allerdings gibt es einzelne Besonderheiten, die sich überall wiederfinden lassen. Bei den Festen z.B. kommt dem Feuer eine sehr wichtige Bedeutung zu. Ob als Lagerfeuer am Strand (in der Nacht vor Sant Joan, dem Sankt Johannistag), als Feuerwerk bei den Dorffesten und Feuerwerksmeisterschaften, an den Hörner von Stieren (bou embolat) oder in den Händen der Menschen beim Ball de Diables (Teufelstanz), als Symbol für den Neuanfang bei den Fallas in Valencia oder dem „Entierro de la Sardina“ (Beerdigung der Sardine) in Murcia, überall findet man das Feuer als wichtigstes Element der fiestas.









Kulinarisch verbindet die Regionen die mediterrane Küche. Es gibt fünf Hauptelemente, die man eigentlich überall findet: Reis (das bekannteste Reisgericht ist ohne Zweifel die Paella Valenciana, jedoch gibt es bis zu 100 weitere Reisgerichte); gegrilltes oder gebackenes Gemüse (regional escalivada, esgarraet oder pericana genannt), das entweder als Salat, als kalte Vorspeise, als Beilage oder als Belag für die katalanisch-mallorquinische Variante der italienischen Pizza, der Coca (z.B. der mallorquinischen Coca de trempó oder der festländischen Coca de recapte); Olivenöl (das beste Olivenöl überhaupt!); Fisch und Meeresfrüchte (besonders an der Küste, im Landesinneren eher Fleisch) und natürlich Brot, das zu jedem Essen gereicht wird und z.B. in Katalonien pa amb tomàquet genannt wird (Brot mit Tomate), in Valencia pa en tomaca, in Murcia pan con tomate und auf den Balearen pa amb oli (Brot mit Öl).



Landschaftlich vereint die einzelnen Regionen die mediterrane Vegetation. Mediterrane Wälder mit Korkeichen (span.: alcornoques/ kat.: sureres), Steineichen (encinas/alzines), Olivenbäumen (olivos/oliveres), Johannisbrotbäumen (algarrobos/garrofers) und Pinien (pinos/pins) und eine niedrig wachsende Gebüsch-Vegetation Namens matorral (spanisch) oder matollar (katalanisch), mit wild wachsendem Rosmarin (romero/romaní), Thymian (tomillo/farigola) und Lavendel (lavanda/espígol) durchziehen das Gebiet von Nord nach Süd. Eine Ausnahme stellen die Pyrenäen im Norden Kataloniens dar, die mit ihren schneebedeckten Gipfeln und der alpinen Vegetation, darunter Rotbuchen (hayas/fajos), Eichen (robles/roures), Bergkiefern (pino negro/pi negre) und Tannenwälder (abetales/avetoses), einen deutlichen Gegensatz zur mediterranen Vegetation bilden. Je weiter nach Süden man sich begibt, desto trockener wird die Landschaft. So zählt Murcia zu den trockensten Regionen Europas und weist eine einzigartige Flora auf, darunter nordafrikanische und auch viele endemische Arten (vor allem Palmen und Zypressen).




Wie schon am Anfang erwähnt, gehört das Mediterrane Spanien zu den touristisch erschlossensten Regionen der Iberischen Halbinsel, wenn nicht sogar Europas. Mallorca sticht hier am stärksten hervor, nicht nur wegen des Ballermanns, sondern weil viele Touristen in Mallorca mittlerweile mehr sehen als eine billige Party-Insel. Barcelona hat einen unbeschreiblichen Boom erfahren, was zum einen natürlich positiv ist, zum anderen aber auch mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist. Ich weiß noch, wie ich zwischen 2000 und 2005 jedem erklären musste, wo Barcelona liegt. Und plötzlich war es die Lieblingsstadt von jedem. Auf der einen Seite freut man sich darüber, dass es den Leuten dort gefällt, aber auf der anderen Seite macht es einen schon traurig zu sehen, wie sich die Stadt verändert hat. Mit dem Barcelona meiner Kindheit hat die Stadt heute nichts mehr gemein. Natürlich gibt es immer noch Partyhochburgen wie Palma, Cala Rajada, s’Arenal, Magaluf, Lloret de Mar, Platja d’Aro, Calella, Ibiza/Eivissa, etc., jedoch gibt es noch unzählige weitere Touristenorte. Einige wichtige Orte sind: Auf den Balearen z.B. Sóller, Pollença und Manacor auf Mallorca, Ciutadella und Maó auf Menorca, Sant Antoni de Portmany und Santa Eulària des Riu auf Ibiza/Eivissa, und die wunderschöne Insel Formentera; in Katalonien natürlich Barcelona, sowie die Costa Brava im Norden (Cadaqués, Roses, Begur, Tossa de Mar oder Palamós) und die Costa Daurada im Süden (Tarragona, Torredembarra, Salou, Cambrils, Roc de Sant Gaietà und Roda de Barà); in der Valencianischen Gemeinschaft die pulsierende Hauptstadt Valencia/València, die Costa Blanca im Süden mit Orten wie Alicante/Alacant, Benidorm (das Miami Spaniens), Calpe/Calp, Jávea/Xàbia oder der Stadt Elche/Elx im Landesinneren mit dem größten Palmenhain Europas, die Costa del Azahar (die Küste der Orangenblüte) im Norden Valencias, mit malerischen Dörfern wie Peñíscola, Vinaroz/Vinaròs, Benicàssim und Morella, oder der größte Salzsee Europas, das Mar Menor, die zugehörige Landzunge Manga del Mar Menor und Städte wie Cartagena in Murcia. Das Mediterrane Spanien zieht die meisten ausländischen Touristen an. Von den 68 Mio. Touristen im Jahr 2015 (ganz Spanien), verbrachten 36,4 Mio., also 54%, ihren Urlaub hier. Allein Barcelona streicht fast 9 Mio. Touristen für sich ein. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Tourismus in all diesen Regionen eine der Haupteinnahmequellen ist.





















So, dies war ein kurzer Überblick. In nächster Zeit werden dann Beiträge zu den einzelnen Regionen, Städten, Besonderheiten etc., folgen. Anregungen sind erwünscht! :)