L’Aragonés – Das Aragonesische

Das Aragonesische (Aragonés, aber auch Luenga Aragonesa und teilweise Fabla genannt) gehört zu den vom Aussterben bedrohten Sprachen Spaniens. Da es nur sehr wenig Sprecher hat (etwa 25.000, inkl. Zweitsprachlern) und wenig bis keinen politischen bzw. institutionellen Rückhalt genießt, sehen es viele Spanier immer noch als einen Dialekt des Spanischen an, manchmal sogar als eine Erfindung. Allerdings ist diese Annahme falsch, da sich das Aragonesische unabhängig vom Spanischen aus dem örtlichen Vulgärlatein entwickelt hat und deshalb nicht als spanischer Dialekt, sondern als eine unabhängige romanische Sprache angesehen werden muss.

Wichtig ist auch zu wissen, dass das heutige Aragonesische von einer Sprache abstammt, die im Mittelalter Amtssprache der Krone Aragoniens war und sowohl in Aragonien, Teilen Navarras, La Rioja, Teilen Valencias und Sorias als auch in Teilen von Murcia gesprochen wurde: dem Navarro-Aragonesischen. Bei so viel Unwissen über die Sprache im eigenen Land, kann man es den Leuten in Deutschland kaum verübeln, dass sie von dieser Sprache noch nie etwas gehört haben. Trotzdem ist es schade, denn es ist ein sehr interessante Sprache, die ein bisschen als Brückensprache zwischen den iberoromanischen Sprachen wie Spanisch oder Portugiesisch und den okzitano-romanischen Sprachen (Katalanisch und Okzitanisch) fungiert. Oft wird die Sprache entweder den iberoromanischen oder den okzitanisch-romanischen Sprachen zugeordnet, aber es gibt keinen wirklichen sprachwissenschaftlichen Konsens: Im Mittelalter war es wohl eher Teil des okzitano-romanischen Zweigs, doch der jahrhundertelange Einfluss des Spanischen hat viele Strukturen verändert, sodass eine genaue Zuordnung schwierig ist (zumal es auch Unterschiede innerhalb der Dialekte gibt: das Ost-Aragonesische ist dem Katalanischen z.B. sehr viel näher als das West-Aragonesische).

Die Entstehungsgeschichte der aragonesischen Sprache unterscheidet sich kaum von der der anderen romanischen Sprachen der Iberischen Halbinsel. Auch hier kam mit der Eingliederung des Gebiets in das Römische Reich das Lateinische in eine Region, die natürlich schon von anderen Völkern bewohnt war. Im Norden Aragoniens waren es vor allem aquitanische Basken, im Osten Iberer und im Süden Keltiberer.

Die heutige aragonesische Sprache ist ein direkter Nachfolger des Navarro-Aragonesischen, das im 16. Jhd. größtenteils ausstarb. Die navarro-aragonesische Sprache (Navarroaragonés) ist eine der fünf romanischen Sprachgruppen, die sich auf der Iberischen Halbinsel aus Vulgärlatein entwickelt haben und die es heute noch gibt. Die anderen vier sind das Galicisch-Portugiesische im Nordwesten, das Asturleonesische, das Kastilische und das Katalanische. Das Mozarabische bzw. andalusinische Romanisch (Mozárabe/ Romance andalusí) im muslimisch kontrollierten Al-Ándalus war zwar auch eine Sprachgruppe, die aus dem Vulgärlatein entstand, doch es starb spätestens im 14. Jhd. aus. Zur Gruppe des Navarro-Aragonesischen gehörten neben dem mittelalterlichen Aragonesisch (Aragonés medieval) auch das Navarresische (Romance Navarro) und das Riojanische (Romance Riojano Precastellano). Als erste schriftliche Überlieferung der Sprache gelten mittlerweile die Glosas Emilianenses (im Kloster San Millán de la Cogolla/ La Rioja) aus dem 10. Jhd., die lange Zeit als die ersten in spanischer Sprache geschriebene Zeilen galten. Jedoch kann man das Geschriebene jener Zeit nicht eindeutig einer der beiden Sprachen zuordnen, weshalb es immer noch genug Linguisten gibt, die die Zeilen für Spanisch halten. Das ist aber auch nicht ganz so wichtig. Viel wichtiger ist es meiner Meinung nach, zu verstehen, dass man unter Navarro-Aragonesisch mehrere romanische Mundarten versteht, die sich in einem Gebiet entwickelten, das sich von der Rioja Alta im Westen bis zur Ribagorza im Osten erstreckte. Dies geschah mehr oder weniger unabhängig von einander, was jedoch nichts daran ändert, dass sie sich sehr ähnlich waren (was wohl u.a. dem baskischen Substrat zu verdanken ist).

Königreich Pamplona

Das Aragonesische entstand in den aragonesischen Pyrenäen, auch Alto Aragón (Ober-Aragonien) genannt. Dieses Gebiet wurde zwischen 714 und 718 von den Mauren erobert und unterworfen. Allerdings hielt die maurische Herrschaft nicht lange, es kam zu mehreren christlichen Aufständen und bereits im Jahr 724 war das Gebiet Teil der Spanischen Mark (Teil des Fränkischen Reichs unter Karl dem Großen). Es entstanden drei Grafschaften: Die Grafschaft Ribagorza (Condau de Ribagorça), die Grafschaft Sobrarbe (Condato de Sobrarbe) und die Grafschaft Aragón (Condato d’Aragón, ihre Grafen waren ab 809 n. Chr. Basken, Nachfahren des 2. Grafen Aznar I. Galíndez). Diese Grafschaften waren zunächst voneinander unabhängig, aber unter fränkischer Herrschaft. Die Grafschaft Aragón wurde allerdings bereits im Jahr 922 ins Königreich Pamplona integriert (die Könige trugen ab 938 den Titel Rey de Pamplona y Conde de Aragón). Erst im Jahr 1015 bzw. 1018 wurden unter dem König Sancho Garcés III. auch der Sobrarbe und die Ribagorza erobert und in das Königreich Pamplona integriert, das zu der Zeit zum einflussreichsten Königreich der Iberischen Halbinsel herangewachsen war: Selbst die Grafschaft Kastilien – aus der kurz darauf das Königreich Kastilien entstehen sollte – gehörte zu der Zeit zum Königreich Pamplona. Die wichtigsten Sprachen des Königreichs waren Latein (als Schriftsprache), Baskisch (Baskenland, Großteil von Navarra und den aragonesischen Pyrenäen), Navarro-Aragonesisch (entlang des Ebro-Beckens; ab dem 13. Jhd. auch Kanzleisprache des Hofes), Kastilisch (im Westen, vor allem Kastilien) und Okzitanisch (u.a. in Pamplona und anderen Städten mit größerer okzitanischer Einwanderung). Dabei konkurrierten vor allem das Kastilische und das Navarro-Aragonesische, sodass sich beide Sprachen gegenseitig beeinflussten (so übernahm das Kastilische z.B. das aragonesische „chepa“ statt des eigenen „giba“ = Buckel). Diese Konkurrenz fand allerdings eher in der Oberschicht der Städte (Pamplona/Iruñea, Estella-Lizarra) und in den westlichen/ südlichen Randgebieten statt, der Großteil der Bevölkerung sprach Baskisch und/oder Navarro-Aragonesisch.


Auch in der Stadt Huesca/ Uesca scheint das Baskische im Mittelalter nicht unbekannt gewesen zu sein, schließlich wurde im Jahr 1349 explizit das Baskische (neben Arabisch und Hebräisch) auf dem Marktplatz verboten und unter Strafe gestellt (siehe „Ordenanzas“: «ltem nuyl corredor non sia usado que faga mercaderia ninguna que conpre ni venda entre ningunas personas, faulando en algaravia ni en abraych nin en bascuenç; e qui lo fara pague por coto XXX sol»). Am lebendigsten war es aber in den Pyrenäen: Im Umland von Jaca/ Chaca (La Jacetania/ Chacetania), im Westen von Aragonien, soll noch bis ins 17. Jhd. Baskisch gesprochen worden sein. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Aragonesische — besonders im Westen — viele Wörter baskischen Ursprungs aufweist: agüerro (Herbst; bask. agorra – „September“), escarrón (Ahorn; bask. askarra), ibón (Gletschersee; bask. ibai – „Fluss“), gabardera (Heckenrose; bask. gaparra – „Dornbusch“), lurte (Lawine), muga/ buega (Grenze; bask. muga), arto (Weißdorn), magoría (Walderdbeere; Baskisch dialektal maurgi/ maraguri), sabaya (Heuboden; bask. sabai), mardano/ mardán (Ziegenbock; bask. marro), sarrio/ chizardo/ ixarzo (Gämse; bask. sarrio; die Formen chizardo/ ixarzo sind verwandt mit dem kat./ gask. isard und können vom bask. izardun – „bestirnt“ abstammen; izar – „Stern“ + –dun – Besitz-Suffix, in Bezug auf die weißen Flecken auf dem Winterfell) oder lacarrón (Keil; bask. akerra). Es gibt auch einige Wörter, die dem Baskischen ähnlich sind, weil das Baskische u.a. viele lateinischen Lehnwörter aufgenommen hat: polido/ polito (hübsch; bask. polit; lat. politus), marguin (Ufer/ Rand; bask. marjin/ bazter, früher wohl auch margin; wäre das Wort direkt aus dem Lateinischen marginem entstanden, wäre im Aragonesischen marchen entstanden, also mit /t͡ʃ/ statt /g/). Außerdem gibt es sehr viele Toponyme, nicht nur Ortsbezeichnungen, sondern auch Namen für Berge, Hügel, Brücken, Häuser, etc., die baskischen Ursprungs sind (vor allem natürlich in der Chacetania, aber auch in den restlichen aragonesischen Pyrenäen): Chía, Erisué, Argoné, Val de Lierp, Sesué, Bisagorri/ Bisaurri, Basarán, Arro, Chabierre d’o Elsón, Ligüerre de Cinca, Aineto, Array, Baranguá, Belarra, Ibor, Ezcaurri, Punta Escarra, Cul d’Ip, Ansó, Zuriza, Echo, Xabierregai, Ixabierre de Bielsa, Ayerbe, Larrain, Barranco de l’Arrigal, Barranco d’Ascaso, Río Xate, Río Ara, Río Arazas, Río Yaga, etc.


Im Jahr 1035 vereint Ramiro I. — Sohn von Sancho Garcés III. und Erbe der aragonesischen Grafschaften — diese Grafschaften und gründet das Königreich Aragonien (Reino d’Aragón), das bis ins Jahr 1707 bestehen bleiben sollte. Das anfänglich sehr kleine Königreich expandierte in den darauffolgenden Jahrhunderten nach Süden. Durch die Wiederbesiedlung der eroberten Gebiete durch Aragonesen aus dem Norden, rückte auch die aragonesische Sprache immer weiter gen Süden. Aber auch viele Okzitanier, Kastilier, Navarresen/ Basken, Mozaraber (arabisierte, aber romanischsprachige, Christen aus Al-Ándalus), Muladíes (romanisch oder arabischsprachige Nachfahren von ehemaligen Christen, die zum Islam konvertiert waren) und Mudéjares (muslimische Araber und Imazighen/ Berber aus Al-Ándalus) siedelten in den Gebieten, was u.a. dazu führte, dass es dort zu einem Nivellierungsprozess kam (die verschiedenen Sprachen und Mundarten der Siedler glichen sich einander an). Als sich das Königreich Aragonien und die Grafschaft Barcelona im Jahr 1137 zur Krone Aragonien vereinten, wurden das Aragonesische und das Katalanische zu den Amtssprachen der Krone (dabei war aber das Katalanische jedoch die Hauptsprache, das Aragonesische wurde eher im Königreich Aragonien selbst benutzt).

Jetzt begann die Blütezeit der mittelalterlichen aragonesischen Sprache (Aragonés medieval): Zwischen dem 12. und dem 15. Jhd. erscheinen unzählige Texte auf Aragonesisch, von Gesetzestexten, Foralrechten (regionale Sonderrechte), Poesie, Prosa bis hin zum Liber Regum, dem ältesten Buch über die iberische Geschichte, das in einer romanischen Sprache geschrieben wurde (später wurde es auch ins Spanische und ins Portugiesische übersetzt). Sowohl das Liber Regum (12./13. Jhd.) als auch das Vidal Mayor (Zusammenstellung des aragonesischen Sonderrechts aus dem 13. Jhd.) sind in der damaligen aragonesischen Kanzleisprache (scripta aragonesa) geschrieben, die jedoch die gesprochene Sprache nicht wirklich wiedergibt, da sie keine regionale/ dialektale Färbung bzw. Eigenheiten aufweist (es war eine Art schriftliche Koiné, ein überregionaler schriftlicher Standard). In beiden findet man trotzdem viele typisch aragonesische Strukturen: So kommen z.B. die Pronomen „ne/en“ und „hi/bi/i“ (Französisch: „en„/ „y“; Katalanisch: „en“/ „hi“) vor, die das Spanische nicht (mehr) kennt, z.B. „el fo s’end“ (er ging von dort weg) oder „fo hi grand la famne“ (der Hunger dort war groß). Außerdem kommen viele aragonesische Wörter vor, die nicht mit dem Spanischen übereinstimmen: „[…] por la gracia de Dius a la nuestra seynnoría aplegantes, proveydo el tiempo […]“ oder „dreito“ (span.: derecho, Recht), „feito“ (span.: hecho, gemacht), „aqueill“ (span.: aquel, jener), „fazer“ (span.: hacer, machen; allerdings im Altspanischen auch fazer geschrieben), „muit/muito“ (span.: mucho, viel), „nueit“ (span.: noche, Nacht) oder „lor/lures“ (keine Entsprechung im Spanischen, am ehesten „su/ sus“; frz.: leur/ leurs; kat.: llur/ llurs, „ihr“ als Possessivpronomen – mehrere Besitzer). Obwohl die Texte auf Aragonesisch geschrieben sind, ist eine gewisse Kastilisierung nicht von der Hand zu weisen. Tatsache ist einfach, dass das Navarro-Aragonesische in vielen Gebieten von Anfang an mit dem Kastilischen konkurrierte, immer mehr kastilische Wörter und Satzstrukturen aufnahm und so besonders in La Rioja und Navarra relativ schnell verschwand (in La Rioja sprach man ab dem 14. Jhd. nur noch Spanisch, zwar mit vielen navarro-aragonesischen Wörtern, aber Spanisch). In Navarra scheint es sich noch bis ins 16. Jhd. gehalten zu haben, besonders in der südlichen und östlichen Landbevölkerung, aber spätestens dann löste sich die Sprache dort im Spanischen auf (zwar nicht spurlos, aber schon deutlich). In Aragonien dauerte der Prozess länger.

Eine der wichtigsten Überlieferung über die Geschichte der Krone Aragoniens, die vollständig auf Aragonesisch erhalten ist, ist die Cronica de Sant Chuan d’a Penya aus dem Jahr 1372. In ihr findet man so gut wie keine spanischen Ausdrücke (z.B. […] E depues de la muert de aquesti rey Fortunyo García, regnó en Pamplona el rey Sancho García, et en vida suya murió en Aragon el comte Galindo; et regnaua en las Esturias el rey Ordonyo qui fué, venido las oras, desbaratado por el rey de Córdoua clamado Abderramen […], Kapitel 9). Weitere wichtige schriftliche Quellen, um auch die gesprochene Sprache nachvollziehen zu können, waren die Texte, die in Aljamiado geschrieben wurden, also in diesem Fall Aragonesisch, aber in arabischer Schrift. So sind auch aragonesische Verbformen wie „entroron“, „ye“ (span.: es, ist), „yes“ (span.: eres, du bist), „yera“ (span.: era, war) oder „seyer“ (span.: ser, sein) belegt (aus dem Aljamiado-Gedicht „Poema de Yuçuf“, 14. Jhd.). Eine wichtige Figur der aragonesischen Literatur des Mittelalters – wenn nicht die wichtigste – war Johan Fernández de Heredia (14. Jhd.), der viele antike Klassiker ins Aragonesische übersetzte — wie z.B. das Libro de los Emperadors (Epitome Historion von Johannes Zonaras) oder das Secreto secretorum — aber auch eigene Werke, wie die Cronica de los Conquiridors oder die Grant Cronica d’Espanya, veröffentlichte. Dabei weisen die ersten beiden Werke weniger Kastilismen (kastilische Ausdrücke) auf, als die letzten beiden, die wohl stärker von seiner Muttersprache — dem Aragonesischen Südaragoniens (Aragonés d’as Comunidatz Aragonesas) — geprägt waren. Dieses Aragonesisch, das südlich des Ebro-Beckens gesprochen wurde, war dem Kastilischen schon immer näher als die nördlichen Dialekte. Das lag zum einen daran, dass sich das Aragonesische dort viel stärker mit den Mundarten und Sprachen der Siedler vermischte, die vor allem aus Navarra, Nordaragonien, Kastilien, dem Baskenland und der Gaskogne stammten. Zum anderen lag es aber auch daran, dass die Region direkt an das Königreich Kastilien grenzte und daher der Einfluss des Kastilischen von vornherein viel stärker war. Besonders deutlich wird das in Texten aus der Region, da die Autoren meistens auf kastilische Form zurückgreifen. So kommen dort überwiegend Formen mit kastilischemch– statt aragonesischem –itund mit –j– (bzw. –i, g-) statt –llvor: fecho statt feyto/ feito (span.: hecho, gemacht), dicho statt dito (span.: dicho, gesagt), ocho statt ueyto/ hueyt/ ueito (span.: ocho, acht), fijo statt fillo (altspanisch: fijo; span.: hijo; Sohn), ojo statt uello (span.: ojo, Auge), muger statt muller (span.: mujer, Frau) oder trabaio statt treballo (span.: trabajo, Arbeit). Auch die Sprache um Zaragoza – dem Ebro-Becken – war zu der Zeit schon kastilisiert, allerdings noch nicht ganz so stark wie im Süden. Am konservativsten waren schon immer die Dialekte im Norden, in den abgelegenen Pyrenäentälern, wo die Leute bis ins 20. Jhd. kaum Kontakt zu Spanisch-Sprechern hatten.

Ab der Vereinigung der Kronen von Kastilien und Aragonien im späten 15. Jhd. unter einem König (Personalunion), begann das Aragonesische aus den offiziellen Bereichen des Lebens zu verschwinden. Zwar waren die Kronen und Königreiche de iure voneinander unabhängig, aber das Kastilischen als Sprache der mächtigen kastilischen Krone (Kastilien hatte Anfang des 16. Jhd. über 4,5 Mio. Einwohner; das Königreich Aragonien nur ca. 200.000, die gesamte Krone von Aragonien, inklusive Katalonien, Valencia und Balearen, kam gerade mal auf ca. 850.000 Einwohner; Kastilien hatte gerade das letzte muslimische Emirat erobert und begann die Kolonialisierung Amerikas) und als anerkannte Literatursprache (es begann das Siglo de Oro, das Goldene Zeitalter der spanischen Literatur) hatte schon seit langer Zeit einen gewissen Einfluss gehabt, sodass mit der Vereinigung der Kronen sein Status als „bessere“ Sprache stetig stieg. Zunächst übernahmen die regionalen Parlamente und die aragonesische Elite das Spanische, später dann auch das Volk. Bereits im 16. Jhd. war das Aragonesische aufgrund der schon erwähnten sprachlichen Nivellierung aus fast allen südlichen/westlichen Regionen des Königreichs Aragonien verschwunden, bis Mitte des 18. Jhd. verschwand es dann durch den Sprachwechsel auch aus dem Großteil der östlichen Ebro-Ebene.


Allerdings verschwand es nicht spurlos. Das Vokabular in den Bereichen Landwirtschaft, Natur, Haushalt oder Nahrung ist in den ländlichen Regionen Aragoniens bis heute größtenteils aragonesisch, z.B. ababol statt amapola (Mohn; aber auch Dummkopf), panizo statt maíz (Mais), presco/ presiego statt melocotón (Pfirsich), sargantana/ fardacho (und unzählige Varianten) statt lagartija/ lagarto (Eidechse), paniquesa statt comadreja (Mauswiesel), caparra statt garrapata (Zecke), pozal statt cubo (Eimer), bisalto statt guisante (Erbse), chipiarse statt empaparse (pitschenass werden), encorrer statt perseguir (verfolgen), empentar statt empujar (schubsen), a escuchetes statt en voz baja (leise/ mit gedämpfter Stimme), chemecar statt gemir (wimmern/stöhnen), charrar statt charlar/hablar (sprechen), esquiruelo statt ardilla (Eichhörnchen) oder escobar statt barrer (fegen). Auch in der Betonung findet man aragonesische Züge: So gibt es z.B. fast nie „Palabras esdrújulas“, also Wörter, die auf der drittletzten Silbe betont werden. Stattdessen werden sie auf der vorletzten betont („Palabras llanas“), wie pajaro statt pájaro, medico statt médico oder gramatica statt gramática. Außerdem wurde besonders im Ebro-Becken (Umland von Zaragoza, etc.) die typisch aragonesische Sprachmelodie beibehalten (mit steigendem Ton zum Satzende hin, verlängerte Endsilben, etc.; z.B. hier). Der Sprachwechsel zum Spanischen war allerdings ziemlich radikal. Zwar wurden natürlich einzelne aragonesische Wörter in das regionale Spanisch aufgenommen, und auch die Sprachmelodie (Intonation) und Betonung erinnert teilweise noch stark an das Aragonesische, aber das Bewusstsein darüber, dass man früher in den jeweiligen Regionen nicht Spanisch, sondern Aragonesisch, gesprochen hat, fehlt bei den meisten Menschen vollkommen.


So verschwand die Sprache aus dem öffentlichen Leben immer weiter: Aus der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jhd. sind so gut wie keine schriftlichen Überlieferungen auf Aragonesisch bekannt. Vereinzelt erscheinen in manchen Werken aragonesische Wörter, Sätze und Redewendungen; wie z.B. in den Gedichten von Ana Abarca de Bolea (17. Jhd.), die zwar einige Gedichte in einem kastilisierten Aragonesisch schrieb (aus dem nördlichen Umland von Zaragoza), aber dachte, sie würde eine Art altbackenes Spanisch schreiben (so kommentierte sie ihr Gedicht mit dem Satz „es macht große Freude zu sehen, dass man die alte Sprache beibehalten hat, die man früher in ganz Spanien sprach“). Hier ein paar Verse aus der Copla Albada al nacimiento aus dem Jahr 1679. Die kastilisierten Formen sind fett, allerdings sind Formen wie nagido oder agradejón nicht wirklich als Kastilianismen zu bewerten, denn auf Spanisch wären sie nacido und agradecieron. Viel mehr handelt es sich dabei wohl um Versuche, den Laut [ʃ] darzustellen (im Spanischen des 16. Jhd. klangen <ge, gi, j> wie [ʃ], nicht wie heute [x]). Natürlich könnte es sich aber auch um eine Interferenz des Spanischen handeln: da [ʃ] ab dem 17. Jhd. im Spanischen langsam zu [x] wurde, ersetzten viele Aragonesisch-Muttersprachler ihr [ʃ] durch den Laut [x], was aber dann dazu führte, dass Wörter entstanden, die es im Spanischen so nicht gab. So wäre es möglich, dass man nagido tatsächlich [naˈxi.ðo] aussprach und nicht [naˈʃi.ðo], während es auf Spanisch [naˈθi.ðo]/ [naˈsi.ðo] wäre (ähnliche Entwicklungen beobachtet man noch heute, z.B. wurde das aragonesische xada im aragonesischen Spanisch zu jada, obwohl das spanische Wort azada lautet). In der rechten Spalte sind die Verse im heutigen Standard in einer südaragonesischen Variante: so habe ich die eher umgangssprachlichen Formen (z.B. trobón statt troboron – „sie fanden“; agradeixión statt agradeixioron – „sie dankten“) und auch die Mischung aus Formen, die eher ans Spanische erinnern — wie nació – „er wurde geboren“ oder fizo – „er tat“ (span. nació/ hizo; sonst arag. eher naixió/ fació) — und typisch aragonesischen Formen, wie dició – „er sagte“ oder nagido/ naixido – „geboren“, beibehalten. Es ist z.B. interessant, dass im selben Text das Verb naixer/nacer unterschiedliche Formen aufweist (normalerweise benutzt man entweder nur nacer und die entsprechenden Formen nació/ naciu oder naixer, mit den Formen naixió/ naixiu):

Original

Media noche era por filos,
as doce dava el reloch,
quando ha nagido en Belén
vn mozardet como vn sol.
[...]

Buena gana na tenido,
pues no len agradejón
aquellas por qui lo fizo
y bien craro lo beyó.

En fin, naçió en vn pesebre,
como Llucas lo dizió,
no se enulle si le dizen
que en as pallas lo trobón.
[...]

O santo viello Chusepe
contento estava, por Dios,
adú que antes estió triste
porque no trobó mesón.

Listos andan los ancheles,
del cielo al suelo vajón,
cantando: "Gloria en os cielos
y paz en a tierra a toz".
Heutige Schreibweise

Meya nueit yera por filos,
as dotze daba el reloch,
quando ha naixiu en Belén
un mozardet como un sol.
[...]

Buena gana n'ha teniu,
pues no le'n agradeixión
aquellas por qui lo fizo
y bien claro lo veyió.

En fin, nació en un pesebre,
como Llucas lo dició,
no se enuye si le dicen
que en as pallas lo trobón.
[...]

O santo viello Chusé
contento estaba, por Dios,
anque antes estió triste
porque no trobó mesón.

Listos andan los ánchels,
d'o cielo a'l suelo baixón,
cantando: "Gloria en os cielos
y paz en a tierra a totz".

Im 17., aber vor allem im 18. Jhd., erscheinen die niedergeschriebenen Pastoradas (hauptsächlich in der Ribagorza, aber auch in den Monegros und anderen Regionen). Die Pastoradas sind religiös motiviertes Volkstheater, das zwar vorrangig die Heiligenverehrung zum Thema hat, aber auch gesellschaftssatirische Elemente aufweist. Im gereimten Dialog zwischen dem Mairal/ Mayoral (Oberhirte) und dem Rapatán (Gehilfe des Mairal), als Vertreter der Transhumanz/ Wanderweidewirtschaft, spricht letzterer oft auf Aragonesisch, um wahrscheinlich seine niedrige soziale Stellung und seinen ländlichen Charakter zu unterstreichen. Die literarischen Zeugnisse des 17./ 18. Jhd. allerdings als aragonesischsprachige Literatur zu bezeichnen ist schwierig, da man nur aragonesische Wörter und Sätze benutzte, um z.B. Bauern oder Hirten „realistischer“ darzustellen und es meist kein wirkliches Bewusstsein darüber gab, dass man dafür tatsächlich auf eine andere Sprache zurückgriff. Hier ein Auszug aus der Pastorada de Capella (Ribagorza; 1905 gedruckt, wurde aber schon 1736 aufgeführt), mit vielen typisch ribagorzanischen Eigenschaften (in fett; z.B. das Pasau Perifrástico, die grafische Darstellung des Wegfalls von /r/ [sabé, criá, i]; mehr Information dazu weiter unten); spanische Lehnwörter sind kursiv markiert. In der rechten Spalte in der heutigen Rechtschreibung, allerdings nicht im dialektübergreifenden Standard, sondern mit nieder-ribagorzanischen Formen, die auch normativ sind (z.B. eba statt yera – „es war“, va nacer statt nacié/ naixié – „ich wurde geboren“, llop/ llet statt lobo/ leit – „Wolf/ Milch“ [siehe kat. llop/ llet], misache statt mensache – „Nachricht“ [siehe kat. missatge], moltas statt muitas – „viele“ [siehe kat. moltes], etc.):

Original

MAYORAL

¡Ay!
Válgame Dios que desgracia,
qué desgracia m'ha síu esta.
Cielos, teniz compasión;
¡oh buen Dios, dame pacencia!

Se m'ha muerto el Rapatán,
astí arriba en la sierra,
de repente y sin sabé
el mal que el probe teneba.

¡Ay, qué trago tan amargo!
Tan güen misache como eba,
qu'a las güellas feba ,
como el llop, lo que quereba;
als crabitos y cordés
les chugaba moltas festas,
qu'a deshora tot solet
alegret se mels comeba.
[...]

RAPATÁN

Aquí esta Chuanicón,
hombre de mundo y de ideya,
y m'en voy buscán po'l mundo
un oficio y amo güeno
que sin treballá me mantenga.
Que dichoso será aquel
que en casa suya me tienga.
[...]

É cosa sigura y cierta
que nací no sé de qui,
si de mula, macho u bestia;
sólo puedo aseguráte
que me van criá con leche
d'una craba montañesa;
desde que yo vá nacé
hasta que va i a la scuela.
Heutige Rechtschreibung

MAIRAL

Ai!
Valga-me Dios qué desgracia,
qué desgracia m'ha siu esta.
Cielos, tenitz compasión;
¡oh, buen Dios, da-me paciencia!

Se m'ha muerto el Rapatán,
astí alto en la sierra,
de repent y sin saber
el mal que el pobre teneba.

¡Ai, qué trago tan amargo!
Tan buen misache como eba,
que a las uellas feba fer,
como el llop, lo que quereba;
a'ls crabitos y corders
les chugaba moltas festas,
que a deshora tot solet
alegret se me'ls comeba.
[...]

RAPATÁN

Aquí está Chuanicón,
home de mundo y d'ideya,
y me'n voi buscand po'l mundo
un oficio y amo bueno
que sin treballar me mantienga.
Qué dichoso será aquell
que en casa suya me tienga.
[...]

É cosa segura y cierta
que va nacer no sé de quí,
si de mula, masclo u bestia;
només puedo asegurar-te
que me van criar con llet
d'una craba montanyesa;
dende que yo va nacer
hasta que va ir a la escuela.

Hier eine Karte, um den territorialen Rückgang der Aragonesischen Sprache von Anfang des 17. bis zum 21. Jhd. zu veranschaulichen.

Rückgang des Aragonesischen vom 16. bis zum 21. Jahrhundert.

Die Sprache lebte jedoch in der Landbevölkerung des Nordens weiter, obwohl sie von den Städtern als Bauernsprache abgetan wurde. Am Ende waren es aber die Sprecher selbst, die ihr Sprachbewusstsein verloren und ihre Sprache als „hablar mal“ (schlecht sprechen) oder „charrar basto“ (grob sprechen) bezeichneten. Sie waren der Meinung, Spanisch zu sprechen, das sich eben in zwei Kategorien einteilen ließ: gut oder schlecht sprechen. Und sie sprachen halt schlecht (z.B. sagte Mitte der 70er ein damals 80-jähriger Informant aus Panticosa, dass man bis 1940 „sehr schlecht“ sprach, aber, dass man danach anfing, besser zu sprechen [«se principiaba a hablar mejor»]). Noch heute findet man Dörfer, wo die Menschen ihre Sprache so nennen.

Erst im 19. und 20. Jhd. erscheinen wieder Autoren, die sich des Aragonesischen bedienen, um ihre Werke zu veröffentlichen. Ihnen fehlte allerdings ein schriftlicher Standard und das Bewusstsein, dass die Leute im Nachbartal dieselbe Sprache sprachen, sodass das meiste als Dialektliteratur einzuordnen ist. Nahezu jedes Tal hatte einen eigenen Dialekt und die Schriftsteller griffen auf die spanische Rechtschreibung zurück, um diese schriftlich darzustellen. Wichtigste Vertreter dieser Zeit waren Domingo Miral und Veremundo Méndez (schrieben im Cheso-Dialekt), Pedro Arnal Cavero und Juana Coscujuela (schrieben in Semontanés) oder Tonón de Baldomera (schrieb in Ribagorzano/Grausín).

Während des 20. Jhd. kam es zu einer extremem Landflucht, besonders im Sobrarbe und in der Ribagorza, aber auch in der Chacetania/ Jacetania (so verloren Gemeinden wie Ansó oder Aragüés de lo Puerto über 2/3 ihrer Bevölkerung). Die Provinz Huesca/ Uesca hat heute immer noch etwa 40.000 Einwohner weniger als vor 100 Jahren (1910 ca. 265.000 Einwohner, im Jahr 2014 etwa 224.000, ohne Bürgerkrieg und Abwanderung wären es 1970 über 330.000 gewesen). Nachdem Ende der 90er Jahre der Tiefpunkt mit ca. 206.000 Einwohner erreicht war, kam es ab dem Jahr 2000 zur Einwanderung von Leuten, die sich entweder in der Provinzhauptstadt Huesca oder in den Touristengebieten der Pyrenäen niederließen. Drastischer sieht es in den Gemeinden in den Pyrenäen aus. Der Sobrarbe hatte 1920 knapp 22.800 Einwohner, 2011 waren es nur noch ca. 7.800; Ansó hatte 1920 etwa 1.500 Einwohner, 2011 waren es nur noch 490 und die Ribagorza hatte 1910 über 34.000 Einwohner, heute allerdings nur noch etwas über 13.400. Die Landstriche Sobrepuerto (Sobrarbe/ Alto Galligo) und A Guarguera (Alto Galligo), die Anfang des 20. Jhd. 600 und über 1.300 Einwohner hatten, sind heute nahezu ausgestorben (in Sobrepuerto lebt niemand mehr und in A Guarguera noch ca.  110 Menschen, was 0,5 Einwohner/km² sind). Da all dies die Regionen sind, in denen das Aragonesische bis in die 50er Jahre Alltagssprache war, ist es besonders verheerend.

Die Landkreise (Comarcas) des Alto Aragón; besonders hervorgehoben die Landkreise der Pyrenäen: Chacetania, Alto Galligo, Sobrarbe und Ribagorza; und die Landstriche A Guarguera und Sobrepuerto

Die Landflucht auf der einen Seite und die Einwanderung spanischsprachiger Menschen in die Region auf der anderen, führten letztendlich dazu, dass das Aragonesische immer mehr Sprecher verlor. Je mehr Leute von Außerhalb in einem Dorf leben, desto schneller geben die Einheimischen ihre Muttersprache auf, da sie sich schämen. Als Beispiel kann man die Dörfer Igriés und Agüero — beide im Umland von Huesca (Hoya de Huesca/ Plana de Uesca) — nehmen. Ihre Bevölkerungsentwicklung könnte unterschiedlicher nicht sein und doch ist sie exemplarisch für viele Dörfer im Alto Aragón. Während Agüero im Jahr 1910 über 1.100 Einwohner hatte, hat es jetzt nur noch 161. Es gab hier kaum Einwanderung und heute zählt es zu den letzten Dörfern im Umland von Huesca, in denen noch Aragonesisch-Muttersprachler leben; u.a. zusammen mit Ayerbe, das auch 68% seiner Bevölkerung verlor und kaum von den Migrationsbewegungen betroffen war (ca. 22% der 1.052 Einwohner sind aus dem Rest Spaniens oder dem Ausland). Igriés dagegen hatte im Jahr 1910 etwa 450 Einwohner und verlor durch Landflucht bis Mitte der 90er Jahre mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung (1992: 179 Einwohner). Doch ab dem Jahr 2000 begann die Einwanderung, sodass das Dorf heute 711 Einwohner hat (85% der Einwohner wurden nicht in der Gemeinde geboren). Heute spricht niemand in Igriés mehr Aragonesisch als Muttersprache. Hier ein Vergleich zwischen der Einwohnerentwicklung in Agüero und Igriés.

Zusätzlich zu den bisher aufgezählten Gründen für den Rückgang des Aragonesischen darf man auch nicht die Auswirkungen der Franco-Diktatur vergessen: ab 1939 war das Aragonesische in den Schulen strickt verboten; Kinder, die Aragonesisch im Unterricht sprachen, wurden von den Lehrern geschlagen und erniedrigt. Dies führte bei ganzen Generationen von Sprechern zu einem extremen Schamgefühl, was am Ende dazu führte, dass sie ihrerseits mit ihren Kindern nur noch Spanisch sprachen. La Ronda de Boltaña besingt diese Situation z.B. in ihrem Lied Baixando t’a escuela (Link weiter unten), wo sie u.a. singen: «Dos veces en os didos m’ha trucau la palmeta, por charrar en a fabla que ye d’o mio lugar. Debant d’os mios amigos, que charran castellano, d’as antigas parolas me’n fan avergonyar» (Zweimal hat er mir mit dem Rohrstock auf die Finger geschlagen, weil ich die Sprache meines Dorfes gesprochen habe. Vor meinen Freunden, die Spanisch sprechen, schämte ich mich für die alten Wörter). Ab den 40ern kam außerdem das Radio in immer mehr Haushalte, ab den 60ern dann der Fernseher: allesamt auf Spanisch und auf Kurs der Diktatur. Die Schule und die Medien verbreiteten das spanisch-nationalistische, national-katholische Ideal eines einheitlichen, spanischsprachigen Spaniens. Außerdem war die Politik der Diktatur auch ein Grund für die Landflucht: die staatliche Behörde für Forstwirtschaft (Patrimonio Forestal del Estado) kaufte ab den späten 50ern viele Landflächen in der Region auf, enteignete aber auch viele Kleinbauern und Hirten. Ganze Gemeinden wurden vom Staat gekauft, um dort Forstwirtschaft zu betreiben, und die Einwohner mussten wegziehen (dies geschah z.B. im Sobrepuerto, wo alle Orte und die dazugehörenden Berge/Wälder aufgekauft wurden).

Am lebendigsten ist die Sprache heute noch in den Tälern Val d’Echo (51% Aragonesisch-Sprecher, 70% verstehen es) und Val d’Ansó (ca. 26%; 43% verstehen es) im Westen, Val de Tena (vor allem Panticosa), Val de Chistau (man sagt, dass alle hier Aragonesisch sprechen), Bielsa und Val de Puértolas (östlicher Sobrarbe) und in der Ribagorza (im Osten; ca. 30%, regional aber über 60%). Lebendig heißt, dass es noch in den meisten Generationen Muttersprachler gibt und die Sprache auch im Alltag benutzt wird. Daher stimmt die Karte zur Verbreitung der aragonesischen Sprache, die man überall im Internet findet, leider nicht ganz. Die Karte zeigt die Verbreitung der Sprache bis 1950, als sie noch eine halbwegs lebendige Alltagssprache war (an vielen Orten sprachen sie aber schon damals nur noch die älteren Generationen). Heute sieht es eher so aus (in den „verlorenen“ Gebieten gibt es weiterhin Sprecher, aber nur noch sehr wenige und zumeist sehr alte):

Wenn man den Fokus tatsächlich nur auf die Regionen legt, in denen das Aragonesische noch vom Großteil oder zumindest einem gewissen Teil der Bevölkerung im Alltag gesprochen wird, dann sieht die Karte ungefähr so aus. In den dunkelroten Gebieten ist es die Alltagssprache der meisten Personen über 35 und die Weitergabe an die Jüngeren ist noch nicht abgebrochen; in den hellroten Gebieten sprechen es nur noch die meisten über 65-Jährigen im Alltag (wobei es auch einige jüngere Sprecher gibt) und in den rosa Gebieten gibt es nur noch vereinzelt ältere Sprecher/ Familien. Natürlich gibt es auch Aragonesisch-Sprecher in den anderen Regionen, aber aufgrund der geringen Zahl und der territorialen Verstreuung, können sie es selten im Alltag sprechen.

Aragonesisch als Alltagssprache (laut der Sociedat Lingüística Aragonesa)

Nach dem Ende der Franco-Diktatur kam es zu einer Standardisierungsbewegung, die im Jahr 1987 in der Rechtschreibung von Huesca mündete (Grafía de Huesca). Die meiste Literatur, die seitdem auf Aragonesisch entstand, war in dieser Rechtschreibung geschrieben. Das Problem an dieser Rechtschreibung war, dass viele Muttersprachler sie ablehnten (die meisten, die sie benutzten, waren neue Sprecher aus Zaragoza, etc.). Zum einen wurde sie abgelehnt, weil regionale Eigenheiten — besonders die, die dem Katalanisch ähnlich sind — im Standard verboten wurden, und zum anderen, weil die Rechtschreibung eher phonetisch ist; keine Rücksicht auf die Etymologie (also Wortherkunft) bzw. mittelalterliche Schreibung nahm und sich so von allen umliegenden Sprachen entfernte. So wurde alles was [b] oder [β] ausgesprochen wurde mit <b> geschrieben, selbst wenn die Wörter ursprünglich mit <v> geschrieben wurden. Auch alles was [θ] ausgesprochen wurde, wurde nur noch mit <z> geschrieben, egal ob das Wort der Herkunft nach mit <c> geschrieben werden müsste. Außerdem verzichtete man auf das <h> und das etymologische <t> am Wortende: lat. vallem > bal (Tal; span. valle, kat. vall, okz. vall/ vath, frz. vallée), lat. vacca > baca (Kuh; span./kat./okz. vaca, frz. vache), lat. venire > benir (kommen; span./okz./frz. venir, kat. venir/ vindre), lat. habere > aber (haben, Hilfsverb; span. haber, kat. haver, okz. aver), lat. hominem > ombre/ ome (Mann; span. hombre, kat. home, frz. homme, okz. òme), lat. fontem > fuen (Quelle; span. fuente, kat./okz. font), lat. virtutem > birtú (Tugend; span. virtud, kat. virtut, okz. vertut, frz. vertu), lat. facilis > zil (einfach; span. fácil, kat. fàcil, okz. facil, frz. facile) oder lat. centum > zien (Hundert; span. cien, kat./okz./frz. cent). Aus dem Spanischen wurden Teile der Akzentregeln und das <ñ> übernommen, obwohl das Aragonesische dafür eine eigene Schreibweise hatte (<ny> oder <yn>). Kritisiert wurde auch, dass man für diesen Standard Wörter benutzte, die eher landschaftliche Entwicklungen durchlaufen hatten und die selbst von den Muttersprachlern als zu „rustikal“ für die Schriftsprache angesehen wurden (um sich so stärker vom Spanischen/ Katalanischen abzugrenzen): parabra statt palabra (Wort), rilazión statt relación (Beziehung), senificato statt significato (Bedeutung), güello statt uello (Auge), güé statt hue (heute), etc. Bezeichnend war z.B. auch diya statt día (Tag), das man sich wohl ausgedacht hat, denn diese Form wurde noch nie dokumentiert (weder in der mittelalterlichen Schreibung noch in der Feldforschung für die Sprachatlanten Anfang des 20. Jhd. oder von Saroïhandy, einem baskisch-französischen Sprachwissenschaftler, der Anfang des 20. Jhd. die aragonesischen Mundarten dokumentierte). Außerdem wurden, im Bestreben nach Differenzierung, einige Wörter zum Standard-Wortschatz erklärt, die entweder nur in einzelnen Gemeinden benutzt werden oder die nur dort eine bestimmte Bedeutung haben, und die außerhalb dieser Gebiete unbekannt sind: prexinar (sich vorstellen/ denken; nur im Val d’Echo; sonst eher imachinar/ pensar), replecar (aufräumen/ verstehen; nur im Tena-Tal benutzt man es auch mit der Bedeutung „verstehen“; sonst entender/ capir). Diesen Standard nennen viele Sprecher abfällig Fabla und unterscheiden deutlich zwischen dem Aragonesischen und der Fabla, die für sie ein Konstrukt von Leuten ist, die keine Muttersprachler sind und das nicht dazu beiträgt, ihre Sprache wertzuschätzen.

Nachdem im Jahr 2006 eine neue Rechtschreibung von der SLA (Sociedat de Lingüística Aragonesa) veröffentlicht wurde, die sich ausschließlich an der mittelalterlichen Schreibweise orientierte und die katalanisch-okzitanischen Akzent-Regeln übernahm, und somit dem Katalanischen viel ähnlicher war, kam es zu einer Art Vakuum. Zwar war die Rechtschreibung von Huesca weiter verbreitet, aber besonders Autoren aus der Ribagorza favorisierten die neue Rechtschreibung der SLA. So taten sich verschiedene Sprachwissenschaftler und Dialektschreiber zusammen und entwickelten unter Aufsicht der Academia de l’Aragonés (selbsternannte aragonesische Sprachakademie, der aber viele anerkannte Linguisten angehören) eine neue Rechtschreibung, die 2010 veröffentlicht wurde. Diese wird von fast allen Kreisen akzeptiert und ist auch die, die ich hier benutze.

Auf der einen Seite orientiert sie sich stärker an der Etymologie und der mittelalterlichen Schreibung (vor allem was <b, v, z, c> und die Benutzung von <ny> statt <ñ> betrifft), entscheidet sich aber teilweise auch dagegen (die mittelalterlichen <ch, j, ge, gi> wurden immer wie [t͡ʃ] – Deutsch „tsch“ – ausgesprochen, sodass jetzt alles mit <ch> geschrieben wird). Auf der anderen Seite versucht sie auch, östliche Varietäten in den Standard zu integrieren. Das äußerst sich vor allem im erlaubten Vokabular, aber auch in der Pluralform mancher Substantive und der Verb-Endung <tz>, die im restlichen Aragonesisch wie <z> – also [θ] – ausgesprochen wird, im Benasqués (Ober-Ribagorza) aber wie [ts]. Beispiele: val (statt vorher bal), anyada (statt vorher añada, Jahr), totz (statt vorher toz, alle), luent (statt vorher luen), etc.

Zwar gilt auch diese Orthografie nur als provisorisch, aber mittlerweile wurde sie von den meisten Vereinen, Institutionen und Autoren akzeptiert. Nur die Vereine Consello d’a Fabla und Ligallo de Fablans benutzen weiterhin die Rechtschreibung von Huesca. Inzwischen (2017) hat die aragonesische Regierung neue Richtlinien vorgegeben, nach denen sich die Kommunen, etc. richten sollen (sie unterscheiden sich vor allem darin, dass sie zwar die Unterscheidung zwischen <v> und <b> beibehalten, aber wieder überall <z> schreiben und das spanische <ñ> benutzen), aber auch das ist nur provisorisch; und, um ehrlich zu sein, mehr als nervig. Nicht nur, weil die Richtlinien die ganze Arbeit ignorieren, die die Sprachwissenschaftler seit Jahren gemacht haben, sondern auch, weil man sich überhaupt keine Mühe gegeben hat: sie wurden stichpunktartig im Landesgesetzblatt veröffentlicht und passen auf eine DIN-A4-Seite (zum Vergleich, die Rechtschreibnormen der Academia de l’Aragonés bestehen aus 165 Seiten). Alle großen Vereine und Schriftsteller haben sich gegen diese Richtlinien ausgesprochen, sodass sie wirklich von niemandem benutzt werden (nur eben von Regierungsseite).

Hier eine Tabelle, um die drei wichtigsten Rechtschreibungen zu vergleichen. Die Rechtschreibung der Regierung von Aragonien habe ich jetzt mal weggelassen, da der Hauptpunkt, in dem sie sich von der Rechtschreibung von Huesca unterscheidet, die Unterscheidung von v/b ist:

Die Standardisierung der Sprache hat sich aus unterschiedlichen Gründen als ziemlich schwierig erwiesen:

Auf der einen Seite stehen verschiedene Vereine und Organisationen, die sich für den Erhalt der Sprache einsetzen, jedoch unterschiedlichen politischen Ideologien angehören, was sich leider auch auf ihre Sicht auf die Sprache auswirkt. So vertreten der Consello d’a Fabla, die Ligallo de Fablans de l’Aragonés und die Partido Aragonés oft einen anti-katalanischen Standpunkt, der eng mit dem spanischen Nationalismus verbunden ist. In diesem Falle allerdings ohne die, für den spanischen Nationalismus typische, Überzeugung, dass es in Spanien eigentlich nur Mundarten und keine anderen Sprachen gibt (Baskisch ausgeschlossen).

Auf der anderen Seite steht der dialektale Zerfall der Sprache und das fehlende Zusammengehörigkeitsgefühl der Sprecher. Nahezu jedes Tal der aragonesischen Pyrenäen hat seinen eigenen Dialekt (zumindest oberflächlich gesehen). Da die Sprecher das Zusammengehörigkeitsgefühl verloren hatten, benennen die meisten ihre Sprache nach ihrem Tal; die wenigstens benutzen die Worte „Aragonés“ oder „Fabla“, wenn es darum geht, ihrer Sprache einen Namen zu geben. So kommt es, dass man Cheso, Chistabín, Ansotano, Belsetán, Pandicuto, Bergotés, Benasqués, Semontanés, Fovano, Grausino oder Estadillano spricht. Erst die jüngeren Generationen, die sich der Situation bewusster sind, nennen ihre Sprache „Aragonés“.

Auch die Rolle der Politik war im Normalisierungsprozess alles andere als hilfreich. Die spanische Verfassung erkennt Regionalsprachen (ohne sie beim Namen zu nennen) in den jeweiligen Sprachgebieten als ko-offizielle Amtssprachen an, solange das in den jeweiligen Autonomiestatuten (Landesverfassungen) so geregelt ist. Sie spricht auch vom Schutz und der Förderung regionaler sprachlicher Besonderheiten. Was genau das nun heißt, steht da nicht. Also lag es an der Regionalregierung in Aragonien, ihre Regionalsprachen (Aragonesisch und Katalanisch) als offizielle Amtssprachen anzuerkennen, was allerdings nie passiert ist. Weder die Landesverfassung von 1987 noch die von 2007 erwähnen das Aragonesische oder Katalanische explizit, es wird nur von „eigenen Sprachen und sprachlichen Modalitäten“ gesprochen („Las lenguas y modalidades lingüísticas propias de Aragón […]“), die unter besonderem Schutz stehen, und die in allen Bereichen des öffentlichen Lebens (Verwaltung, Bildung, Sprachlehre und Verbreitung) gefördert werden sollen (Artikel 7, Estatuto de Autonomía de Aragón, 2007).

Geplant waren u.a. eine sprachliche Teilung Aragóns in drei Sprachzonen — eine aragonesische, eine spanische und eine katalanische (ähnlich wie in Navarra oder Valencia) — in denen die regionalen Sprachen einen Status als Amtssprache erlangen und aktiv von der Regionalregierung gefördert werden sollten (Ley de Lenguas, 2009). Außerdem sollten für die jeweiligen Sprachen offizielle Sprachakademien gegründet werden, die sich der Forschung, Verbreitung und Lehre der Sprachen widmen sollten. Nichts davon wurde umgesetzt, da im Jahr 2011 die rechts-konservative Partei PP die Wahlen in Aragón gewann, und das vorherige Sprachgesetz durch ein neues ersetzte (2013). Dass die PAR (Partido Aragonés), nun Koalitionspartner der PP, da mitspielte, war überraschend und irritierend zu gleich: so hatte die PAR doch in der vorangegangenen Legislaturperiode, als Koalitionspartner der sozialdemokratischen PSOE, das vorherige Sprachgesetz mit auf den Weg gebracht und unterstützt, nur um es jetzt wieder zu kippen.

Dieses neue, sehr polemische, Gesetz schloss eine Einteilung Aragoniens in Sprachgebiete aus und verbannte die Bezeichnungen der Sprachen als „aragonés“ und „catalánaus dem offiziellen Sprachgebrauch. Stattdessen hießen die Sprachen jetzt LAPAO (Lengua Aragonesa Propia del Área Oriental / Einheimische aragonesische Sprache der östlichen Gebiete, vorher Katalanisch) und LAPAPYP (Lengua Aragonesa Propia de las Áreas Pirenaica y Prepirenaica / Einheimische aragonesische Sprache der Pyrenäen und Vorpyrenäen, vorher Aragonesisch). Von einem Tag auf den anderen entstanden so zwei „neue“ Sprachen. Die PP, eine Partei, die stark mit der Franco-Diktatur verbunden ist und den spanischen Nationalismus verkörpert wie kaum eine andere Partei, versucht sein Jahrzehnten die sprachliche Landschaft Spaniens zu zerstückeln. Auf Mallorca setzt sie sich dafür ein, dass das Mallorquinische nicht als Katalanisch, sondern als eigenständige Sprache, angesehen wird; in Valencia ist sie Teil der Blaverismo-Bewegung, die der Meinung ist, Valencianisch sei kein Katalanisch; in Asturien vertritt sie die Ansicht, dass das Galicische Asturiens (galego d’Asturias) eine unabhängige Sprache ist (Eonaviego), in León bestreitet sie, dass das Leonesische zum Asturischen gehört und in Galicien ist die Partei stark an der Kastilisierung des Galicischen beteiligt und ist großer Verfechter des dreisprachigen Schulsystems, das darauf ausgerichtet ist, dem Galicischen so viel Raum wie möglich zu nehmen. In Aragonien wäre es ihnen wohl am liebsten gewesen, die Sprachen ganz zu streichen, da das aber nicht möglich war, bediente man sich des Prinzips „Teile und Herrsche“, und entschied, dass das Katalanische in Aragonien kein Katalanisch mehr war, sondern LAPAO. Seit 2015 regiert jedoch wieder eine linke Regierung (PSOE und Chunta Aragonisista), die dieses Sprachgesetz im selben Jahr wieder rückgängig machte und die gewohnten Bezeichnungen Aragonesisch und Katalanisch wieder einführte. Damit erlangten die Sprachen und vor allem die Sprecher wieder ihre Würde zurück.

Sprachliches

Wie schon gesagt ist die Sprache in viele unterschiedliche Dialekte zerfallen. Diese unterscheiden sich mehr oder weniger stark voneinander, je nachdem wie isoliert das Tal war oder an welchem Ende des Dialektkontinuums sie stehen. Dabei werden die einzelnen Dialekte meistens in vier Gruppen gegliedert: West-Aragonesisch, Zentral-Aragonesisch, Süd-Aragonesisch und Ost-Aragonesisch. Innerhalb jeder Gruppen hält sich die Variation in Grenzen, die einzelnen Dialekte sind ohne große Schwierigkeiten untereinander verständlich. Für die Standardisierung der Sprache in den 1970ern wurde fast ausschließlich auf westliche und zentrale Dialekte zurückgegriffen, da die östlichen vieles mit dem Katalanischen gemein haben und dies unerwünscht war. Probleme damit, spanische Wörter oder Strukturen zuzulassen, hatten die Erfinder des Standards dagegen nicht. Der Standard der Academia de l’Aragonés ist im Vergleich sehr viel integrativer.

Die verschiedenen aragonesischen Dialekte gliedern sich wie folgt:

  • Westaragonesisch (Aragonés Occidental)
    • Ansotano (im Val d’Ansó, lebendig, aber rückläufig)
    • Cheso (im Val d’Echo, sehr lebendig)
    • Aisino (im Val d’Aísa, stark rückläufig)
    • Chaqués (Umland von Jaca/Chaca, fast ausgestorben)
  • Zentralaragonesisch (Aragonés Central)
    • Tensino (im Val de Tena, stark rückläufig)
      • Panticuto (in Panticosa/Pandicosa, lebendig, aber rückläufig)
    • Sarrablés (in Sarrablo, stark rückläufig)
    • Aragonés d’a Valle de Puértolas (lebendig, aber rückläufig)
    • Belsetán (in den Tälern von Bielsa, gilt als konservativste Varietät, kaum vom Spanischen beeinflusst, rückläufig)
    • Aragonés d’a Val de Vio/ Bergotés (in den Tälern von Vio, Torla, Fanlo, Broto; vor allem ältere Sprecher, stark rückläufig)
  • Südaragonesisch (Aragonés Meridional)
    • Semontanés (Vorpyrenäen, stark kastilisiert, stark rückläufig)
      • Semontanés de Balbastro (zwar stark kastilisiert, aber weniger als die anderen südlichen Dialekte; lebendig)
  • Ostaragonesisch (Aragonés Oriental)
    • Chistabín (im Val de Chistau; sehr konservativ; sehr lebendig)
    • Fovano (in A Fueva; lebendig, aber besonders in den Hauptorten rückläufig)
    • Ribagorzano (besonders im Osten starker Einfluss des Katalanischen; lebendig)
      • Benasqués / Patués (im Val de Benasc, dem Katalanischen sehr ähnlich; sehr lebendig)
      • Campés (in Campo, sehr lebendig)
      • Grausino (in Graus, lebendig)
      • Foncense (in Fonz, lebendig und wenig kastilisiert)
dialectos del aragonés

Wenn man das Südaragonesische mal außen vor lässt, da es stark kastilisiert ist und größtenteils — bis auf wenige Ausnahme, wie o/ a/ os/ as als bestimmte Artikel, die Nutzung des Adverbialpronomen „en“, der Präposition „ta“ und des Diminutivs „-et“ — kaum mehr aragonesische Züge aufweist, haben die einzelnen Dialekte trotz starker Isolation und Zu- und Abwanderung eine gewisse Einheitlichkeit beibehalten. Daher ist diese Einteilung nach Tälern, wo sie gesprochen werden, auch nicht immer die beste. Die Dialekte von Puértolas, Val de Vio und Val de Broto unterscheiden sich kaum voneinander, werden aber einzeln aufgeführt. Das liegt meistens daran, dass es viele Forschungsarbeiten zu den Dialekten der einzelnen Tälern gibt, die sich aber immer nur auf ein Tal beschränken, ohne die sprachlichen Eigenschaften der umliegenden Täler miteinzubeziehen.

Es gibt auch Sprachwissenschaftler — darunter auch die der Academia de l’Aragonés — die nur grob zwischen West-Aragonesisch und Ost-Aragonesisch unterscheiden (das Zentral-Aragonesische wird dann meist in ein westliches und ein östliches Zentral-Aragonesisch aufgeteilt). Unterscheidungsmerkmale sind vor allem die Aussprache von <ix> als [ʃ] (Westen) oder [jʃ] (Osten), der verstärkte Wegfall von unbetontem -o am Wortende im Osten (z.B. chiner statt chinero – Januar), die Beibehaltung der inkoativen Konjugation mancher Verben im Osten (z.B. espesir > espeseix statt espese – es verdickt) und der Wortschatz, der im Osten dem Katalanischen näher ist. Später dazu mehr. Wenn man nur von west- und ostaragonesischen Varietäten ausgeht, die sich zwar teilweise in der Aussprache und Morphologie, aber vor allem auch im Wortschatz unterscheiden, dann sieht die Karte des Aragonesischen eher so aus (in rot die westaragonesischen Varietäten, in blau die ostaragonesischen; in den dunkleren Regionen ist die Sprache am besten erhalten). Wie man sieht gibt es keine klaren Grenzen, da die verschiedenen Merkmale nicht immer in ihrer Verbreitung übereinstimmen:

Karte der dialektalen Varietäten (Academia de l’Aragonés)

Das heutige Standard-Aragonesisch hat sich für den dialektübergreifenden Standard aus vielen Dialekten bedient, um so viele Menschen wie möglich dafür zu gewinnen. Außerdem sind viele dialektale Eigenheiten normativ, was bedeutet, dass Dialektsprecher auch viele ihrer Sprachmerkmale schriftlich wiedergeben können. Was nämlich an der Standardisierung einer kleinen Regionalsprache immer zum Problem wird, ist, dass die Sprecher sich nicht mit dem Standard identifizieren und ihn folglich auch nicht benutzen. Wie das mit diesem Standard aussieht, wird man in einigen Jahren sehen.

Charakteristisch für alle aragonesischen Dialekte — und daher auch des Standards — ist, dass die mittelalterlichen Konsonanten <ch, j, ge, gi, i> wie [t͡ʃ] ausgesprochen werden (deutsch „tsch“). Man hat daher den Digraphen <ch> gewählt, um diesen Laut darzustellen: minchar (essen), chusticia (Justiz), chent (Leute), choven (jung), chelar (zufrieren), viache (Reise) oder lochico (logisch). Gemeinsam ist allen Dialekten zudem der Wegfall von vielen unbetonten <e> am Wortende (wie im Katalanischen und Okzitanischen): lat. gentem > gente > chent [ˈt͡ʃen] (Leute; span. gente; kat. gent), lat. grandem > grande > gran (groß; span. grande; kat. gran), lat. abante > de abante > debant [deˈβan] (vorne; kat. davant; span. delante), lat. fontem > fuente > fuent [ˈfwen] (Quelle; span. fuente; kat. font). Zudem gibt es zusätzlich den Laut [ʃ] (deutsch „sch“), der aus dem lateinisch -x-, -ps- und scj- enstanden ist: lat. conōscĕre > conoixer [ko.noˈʃe(ɾ)] / [ko.nojˈʃe(ɾ)] (kennen; span. conocer; kat. conèixer), lat. *nascĕre > naixer [naˈʃe(ɾ)] / [najˈʃe(ɾ)] (geboren werden; span. nacer; kat. néixer/ nàixer), lat. coxus > coixo [ˈko.ʃo] / [ˈkoj.ʃo] (hinkend; span. cojo; kat. coix), lat. asciata > xada/ xata/ aixata/ ixada (Hacke; span. azada; kat. aixada), lat. ipsum > ixo [ˈi.ʃo] (das; span. eso; kat. això), etc. Bei zwei Aussprachen steht die erste — z.B. [ˈko.ʃo] — für die Aussprache in den westaragonesischen Varietäten (West-Aragonesisch, westliches Zentral-Aragonesisch, etc.) und die zweite — also [ˈkoj.ʃo] — für die Aussprache in den ostaragonesischen Varietäten (Ost-Aragonesisch, aber auch in den östlichen zentralaragonesischen Varietäten in Bielsa, Vio, Puértolas, etc.).

Außerdem haben alle Varianten die Nutzung der Adverbialpronomen en/ne“ (davon) und i/ bi/ ie“ (da, dahin) gemein, deren Bedeutung größtenteils mit der im Französischen („en“ und „y“), Okzitanischen („en/ne“ und „i“) und Katalanischen („en/ne“ und „hi“) übereinstimmt: No i soi estato (Ich war nicht da), Ya bi ye (Sie ist schon da), Bi ha chent que…/ I ha chent que… (Es gibt Leute, die…), Quiero ir-ie / ir-bi (Ich möchte dahin gehen), Quiers vin? No, no en quiero (Möchtest du Wein? Nein, ich möchte keinen), No tien un fillo, en tien tres (Er hat nicht ein Kind, sondern drei davon). Dabei wird bi im West-Aragonesischen verwendet und i (bzw. ie, wenn es ans Verb angehängt wird) im Ost-Aragonesischen. Bei der Kombination von einem Dativ-Objekt der 3. Person (le/ li – ihm, ihr) und einem Akkusativ-Objekt der 3. Person (lo, el / la – ihn/ es/ sie) wird das Akkusativ-Objekt zu en: Doi lo paquet al mocet (Ich gebe dem Jungen das Paket) > Le doi lo paquet (Ich gebe ihm das Packet) > Lo doi al mocet (Ich gebe es dem Jungen) > Len doi (Ich gebe es ihm; span. se lo doy). Ist das Dativ-Objekt im Singular ist das Ergebnis immer le’n (le + lo/ le + la/ le + los/ le + las/ le + en > le’n), steht es im Plural, dann ist das Ergebnis les ne (Doi lo paquet als mocets > Les ne doi – Ich gebe es ihnen). Ausnahmen dieser Regel sind das Belsetán, wo man die mittelalterliche Kombination beibehalten hat (lel, le la, etc.; z.B. Lel doi) und das Ribagorzano, wo man die Pronomen eher wie im Katalanischen kombiniert (le + lo > lo i, le + la > la i, le + los > los ie; z.B. Lo i doi; kat. Lhi dono).

Weitere Besonderheiten des Aragonesischen sind:

  • Die ursprünglichen bestimmten Artikel sind lo/ los/ la/ las. Allerdings gibt es eine große dialektale Variation: Heute werden vor allem o/ os/ a / as benutzt (z.B. im Ansotano oder Chaqués im Westen, im Zentrum und im Fovano/ Semontanés im Süden/Osten). Lo/ los/ la / las findet man nur noch vereinzelt (Cheso und Aragüesino im Westen und in einigen Varietäten im Zentrum/ Südosten). Beide Formen kontrahieren im Singular allerdings vor Vokal zu l’: lo/ o onso > l’onso (der Bär), la/ a alga > l’alga (die Alge). Die genauen Regeln sind etwas komplizierter, wer sich dafür interessiert, kann sich diesen Artikel durchlesen. Im Zentral-Aragonesischen werden o/ os/ a / as nach Vokal traditionell zu ro/ ra/ ros/ ra, weshalb man in der ersten Rechtschreibung erlaubt hatte, diesen Artikel zu schreiben. Heute sieht man sie allerdings als Allomorphe von „lo“ an (also Aussprachevarianten), sodass sie — außer in Dialektliteratur und Toponymen — nicht mehr geschrieben werden. Die Academia de l’Aragonés empfiehlt in der dialektübergreifenden Standardsprache generell lo/ los/ la/ las zu schreiben, rät aber zu Benutzung der Kontraktion/ reduzierte Form nach den Präpositionen de, en und con (z.B. d’od’a; en o, en a; con o, etc.). Allerdings sind auch die regionalen Artikel normativ und können sowohl in formellen als auch informellen Texten geschrieben werden. Im Ost-Araganosesischen, aber auch in einigen zentralaragonesischen Dialekten (z.B. Belsetán), benutzt man zudem die Artikel el, l’ / la, l’ / els, es / las. Den Artikel es für Maskulin Plural (z.B. es camins – „die Wege“; statt sonst eher os caminos), den man vor allem im Ribagorzano, Belsetán und Chistabín findet, kennt man auch im Katalanischen der Balearen/ West-Kataloniens (haben allerdings unterschiedliche Ursprünge: im Balearischen stammt es vom lat. ipse, im Nordwest-Katalanischen stammt es, wie im Aragonesischen, von els/les > es) und im Südost-Gaskognischen der angrenzenden Pyrenäentäler.
  • Typisch für das Aragonesische ist außerdem eine verstärkte Diphthongierung des kurzen lateinischen o und e zu [we] und [je], oft auch dort, wo das Spanische nicht diphthongiert. Diese zusätzliche Diphthongierung erinnert eher ans Okzitanische: noctem > nueit [ˈnwej(t)] (Nacht; span. noche; okz. nich/ nit), oculum > uello (Auge; span. ojo; okz. uelh), ferrum > fierro (Eisen; span. hierro; okz. fèrre/ hèr), pontem > puent (Brücke; span. puente; okz. pont), locum > luego (später; span. luego), foliam > fuella (Blatt; span. hoja; okz. flha), speculum > espiello [esˈpje.ʎo] (Spiegel; span. espejo).
  • Anders als die anderen romanischen Sprachen mit baskischen Substrat (Spanisch, Gaskognisch) verliert das Aragonesische das lateinische f– im Anlaut nicht: filium > fillo (Sohn; span: hijo; gask.: hilh; kat. fill; pt. filho), facere > fer (machen; span. hacer; gask. hèr/ har/ hàser; kat. fer; pt. fazer).
  • Wie schon weiter oben erwähnt, werden die lateinischen c’l, lj– und –t’l– zu [λ] (wie in den anderen romanischen Sprachen der Iberischen Halbinsel, außer Spanisch), während ct– und –ult– zu /it/ werden: acuclam > agulla (Nadel; span. aguja; kat. agulla; okz./ pt. agulha), mulierem > muller (Frau; span. mujer; kat. muller; pt. mulher), multum > muito (viel; span. mucho; kat. molt; pt. muito), factum > feito [ˈfej.to]/ [ˈfej(t)] (gemacht; span. hecho; kat. fet; okz. fach/ hèit; pt. feito). Heutzutage findet man aber in den meisten Dialekten immer öfter die spanischen Formen (z.B. mucho, fecho/ hecho, etc.).
  • Typisch für fast alle Varietäten ist auch, dass das /r/ bei rs am Wortende stumm ist: quiers [ˈkjes] (du willst), mullers [muˈʎes] (Frauen), corders [koɾˈðes] (Lämmer), etc. Im Ost-Aragonesischen und im Ansotano (ganz im Westen) ist das r am Wortende fast immer stumm: fer [ˈfe] / [ˈfeɾ] (machen), muller [muˈʎe] / [muˈʎeɾ] (Frau), cantar [kanˈta] / [kanˈtaɾ] (singen), etc. Allerdings ist das r bei Infinitiven überall stumm, wenn ein Pronomen angehängt wird: fer-te (ˈfe.te] (dir machen), ir-se-ne [ˈi.se.ne] (von dort weggehen), etc.
  • Charakteristisch für das Aragonesische ist das [θ] (wie englisch „thing“) am Wortende. Es stammt von der mittelalterlichen Pluralform <-ts, -ds> — sowohl bei Substantiven, Adjektiven, etc. als auch bei der Konjugation (vor allem 2. Pers. Pl.) — und wird heute meist <tz> oder <z> geschrieben (die erste Variante ist die der Academia de l’Aragonés): ciudat [θjuˈða(t)] (Stadt) > ciudatz [θjuˈðaθ] (Städte), tot [ˈto(t)] > totz [ˈtoθ] (alle], mocet > mocetz [moˈθeθ] (Jungs), verdat > verdatz [beɾˈðaθ] (Wahrheiten), cantatz [kanˈtaθ] (ihr singt), venitz [beˈniθ] (ihr kommt), venibatz [beˈni.βaθ] (ihr kamt), sotz / setz (ihr seid), puedes/ puetz (du kannst), etc.
  • Was die Konjugation der Verben angeht, ist das Aragonesische teilweise sehr viel konservativer als das Spanische oder andere westromanische Sprachen. So bleibt im Imperfekt das lateinische -b- immer erhalten: lat.: tenebas > tenebas (span.: tenías; port.: tinhas; kat.: tenies; frz.: tenais, du hattest), lat.: dicebat > diceba (span: decía; port.: dizia; kat.: deia, frz.: disait, er sagte). Formen wie heba, feba, veyeba, veniba oder ubriba hören sich für spanische Ohre zwar komisch an (auf Spanisch wäre es había, hacía, veía, venía und abría), aber so ist das halt. Auch manche Formen des Präsens Subjunktiv können jemandem aus Madrid ziemlich in den Ohren weh tun: haiga (gilt im Standard-Spanischen als falsch, aber wird dialektal benutzt), veiga, vaiga. Außerdem haben die zentralaragonesischen Dialekte die Partizip-Endungen mit tbeibehalten (in den restlichen Dialekten wurden sie zu au/ ada bzw. iu/ ida): estatus/ -a > estato, estata / estau, estada (gewesen; span. estado/ -a), tropatus/ -a > trobato, trobata / trobau, trobada (gefunden), partitus/ -a > partito, partita / partiu, partida (geteilt). Hier eine Tabelle, um die aragonesische Konjugation besser zu verstehen (die ersten drei sind Beispiele für die Konjugation im Standard der regelmäßigen Verben der I. II. und III. Konjugation; die zwei letzten Tabellen sind Beispiele für unregelmäßige Verben im Standard):
conchugacion aragones cantar
conchugacion aragones temer
conchugacion aragones partir
Konjugation Aragonesisch "Fer" (machen)
Konjugation Aragonesisch "estar" (sein)

Hier noch ein paar Beispiele für die dialektale Variation (I. Konjugation im Präsens, Präteritum und Imperfekt Indikativ, und „estar“ im Imperfekt Indikativ):

conchugacion aragones cantar dialectal presente
conchugacion aragones cantar dialectal imperfecto
  • Das Aragonesische ist traditionell auch konservativer, was die Sonorisierung der stimmhaften intervokalischen Verschlusslaute (Okklusive) angeht. Im Spanischen, wie in den meisten westromanischen Sprachen, wurde fast jedes lateinische/ griechische intervokalische -p-, -t- oder -k- zu -b-, -d- oder -g- (bestes Beispiel: apotheka > bodega, wahrscheinlich wegen des keltiberischen Einflusses). Im Aragonesischen sind die lateinischen Formen weiter verbreitet, allerdings sind sie im Zentral-Aragonesischen besser erhalten: umbilīcus  > melico (span.: ombligo; Bauchnabel), capitia > capeza (span.: cabeza, Kopf), sapere > saper (span.: saber, wissen), kelt. cassicos > caixico (span.: roble/ quejigo, Eiche), urticam > xordica (span.: ortiga, Brennnessel), lupum > lupo (span.: lobo, Wolf), etc. Im Ost-Aragonesischen kam es wohl schon im späten Mittelalter zur Sonorisierung, im West-Aragonesischen ist die Sonorisierung ein moderneres Phänomen. So lauten diese Wörter im Ribagorzano (Ost-Aragonesisch) z.B. eher meligo, cabeza, saber, caixigo, ixordiga und llobo. Im Standard sind meist beide Formen als normativ anerkannt. Zum Vergleich die Entwicklung dieser Verschlusslaute in den west- und ostromanischen Sprachen (dass sie im Katalanisch/Okzitanischen/Französischen am Wortende erhalten geblieben sind, liegt an der Tatsache, dass der Endvokal wohl wegfiel, bevor die Sonorisierung stattfand; in den femininen Formen taucht die Sonorisierung dann auf; z.B. lupus/ lupa > loup/ louve, lop/ loba, llop/ lloba – „Wolf/ Wölfin“):

Weitere grammatikalische Eigenheiten

  • Es gibt einige Quantifizierer, die eher mit dem okzitanisch-romanischen Zweig übereinstimmen oder die es nur im Aragonesischen gibt: bell [ˈbel] / bella [ˈbe.λa] / bells [ˈbels] / bellas [ˈbe.λas] (etwas, [irgend]ein; Adjektiv), belún / beluna / beluns / belunas (jemand, [irgend]ein, einige; Pronomen), garra (kein[e]/ ein[e]; Adj. + Pronomen), cosa/ res (nichts, Pronomen; res eher im Osten; siehe kat. res), guaire (nicht/ wenig/ kaum; siehe kat./okz. gaire), mica/ brenca (nichts/ kein; aber auch „etwas“; siehe kat. mica – „bisschen“; okz. brica), pro/ prou (genug; kat. prou; okz. pro), etc. In einigen Pyrenäen-Varietäten (Panticuto, Belsetán, Chistabín) benutzt man auch noch qualcún statt belún (siehe kat. algú, aber dialektal noch qualcú; okz. qualqu’un), qualque/ qualques statt bell (siehe kat. algun, aber dialektal noch qualque; okz. qualque) oder qualque cosa/ qualcosa statt bella cosa ([irgend]etwas; siehe z.B. im Katalanischen quelcom oder auf den Balearen qualque cosa; okz. quicòm/ quaucom).
    • Beispiele: «Se sienten bells gritos / Se sienten qualques gritos» (Man hört [einige] Schreie), «Se siente bella risotada / Se siente qualque risotada» (Man hört ein Gelächter) > «Se’n siente beluna/ qualcuna» (Man hört eins), «Bella vez l’has visto?» (Hast du ihn mal gesehen?), «Li has dito bella cosa?/ Li has dito qualcosa?» (Hast du ihm irgendetwas gesagt?), «Fuemos tomar bella cosa» (Wir gingen was trinken), «I ha bell/ qualque can per astí? – Sí, n’i ha belún/ qualcún» (Gibt es hier einen Hund? Ja, es gibt einen), «No ha traito cosa/ res» (Er hat nichts mitgebracht), «Qué fetz? – No cosa/ res» (Was macht ihr? Nichts), «No m’ha dau cosa/ res» (Er hat mir nichts gegeben), «No i ha garra mocet en a escuela» (Es ist kein Kind in der Schule), «Se garra en veyes, m’avisas» (Wenn du einen siehst, sag mir bescheid), «Quántas chirmanas tiens? (No) garra» (Wie viele Schwestern hast du? Keine), «No s’i estaban guaire rato» (Sie waren nicht lange da), «Soi arribato no fa guaire» (Ich bin vor kurzem [wörtlich: vor nicht langer Zeit] angekommen), «No me fa guaire goyo» (Ich mag das nicht so gern [wörtlich: macht mir nicht viel Freude]), «No i heba guaires personas» (Es waren nicht viele Menschen da), «No i quedaba mica/ brenca de leit» (Es war keine Milch mehr da), «No tiengo mica/ brenca de fambre» (Ich habe keinen Hunger), «No ye mica/ brenca fácil» (Das ist [überhaupt] nicht einfach), «Se en quiers mica, di-me-lo» (Wenn du etwas davon möchtest, sag es mir), «Ya en tiengo pro/ prou» (Ich habe genug [davon]), «No he dormiu prou» (Ich habe nicht genug geschlafen), etc. Wie man sieht ist es mit den Entsprechungen im Deutschen etwas kompliziert: Zum einen haben einige der Quantifizierer verschiedene Bedeutungen, je nachdem, ob sie in einem negativen Aussagesatz, einer Frage oder einem Konditionalsatz stehen; und zum anderen kann man die Sätze nicht immer wörtlich übersetzen, weshalb die Originalstruktur verloren geht.
  • Eine charakteristische Präposition ist enta/ ta (nach, Richtung; gask. entà/ tà): «Voi ta Uesca» (Ich fahre nach Huesca), «Ya tornaron enta/ ta casa» (Sie sind schon nach Hause gegangen), «L’agua corre ta baixo» (Das Wasser läuft nach unten), «No puyes ta lo/ tˈo tellau» (Geh nicht aufˈs Dach), «Marchó ta la/ tˈa capital» (Er ist in die Hauptstadt gegangen), etc.
  • Die Lokaladverbien sind aquí (hier) – astí (da) – allí (dort). Astí kann aber auch hier bedeuten (z.B. in Vien astí! – „Komm [hier] her!“).
  • Verben der Bewegung und manche andere intransitiven Verben wurden traditionell in den zusammengesetzten Verbformen (vor allem im Perfekt) mit dem Hilfsverb estar konjugiert und nicht wie heute größtenteils mit haber. Diese Besonderheit gibt es heute noch im Cheso und im Zentral-Aragonesischen. Dabei muss das Partizip dann mit dem Subjekt übereinstimmen: Soi arribato a casa (Ich bin Zuhause angekommen; es spricht ein Mann), Soi arribata a casa (Ich bin Zuhause angekommen; es spricht eine Frau), Ya sotz puyatos tal lugarón? (Seid ihr schon zum Dorf [hoch] gefahren?), Ya sen ye ita (Sie ist schon weggegangen), Ya nos ne semos itos (Wir sind schon weggegangen), etc. Aber z.B. in anderen Regionen He arribato (Ich bin angekommen), Ya nos n‘hemos iu (Wir sind schon weggegangen) oder halt generell He leyiu el libro (Ich habe das Buch gelesen), He leyiu la revista (Ich habe die Zeitschrift gelesen), Has visto la muller? (Hast du die Frau gesehen, etc.). Anmerkung: wie weiter oben schon beschreiben, können die Partizipien mit –ato/ –ata und –ito/ –ita oder eben –au/ –ada und –iu/ –ida gebildet werden (arribato/ arribata, arribau/ arribada, ito/ ita, iu/ ida, leyito/ leyiu, etc.). Im Katalanischen benutzte man traditionell auch ésser, heute findet man diese Form nur noch bei älteren Sprechern auf den Balearen, in Nord-Katalonien und l’Alguer (in den sozialen Netzwerken benutzt man allerdings u.a. Sóc vingut a dir-vos… – „Ich bin gekommen, um euch zu sagen…“, um etwas geschwollen rüberzukommen). Im Okzitanischen benutzt man èsser/ èster noch ganz normal (Soi arribat/ arribada, Ja se nˈes anat/ anada, etc.)
    • Kommt das Objektpronomen vor dem Verb, kann das Partizip aber auch mit dem Hilfsverb „haber“ mit dem Objekt übereinstimmen: He visto la muller (Ich habe die Frau gesehen) > Lˈhe vista (Ich habe sie gesehen), Las cullaras, no las he tocatas (Die Löffel, die habe ich nicht berührt), Los libros, los he leyius (Die Bücher habe ich gelesen), etc.

Ein paar dialektale Besonderheiten:

West-Aragonesischen

  • Es überwiegt zwar die Sonorisierung der Verschlusslaute, aber einige Wörter haben die ursprünglichen Formen beibehalten (z.B. caixico, melico, espata – Schwert).
  • Das Dativobjekt der 3. Pers. ist li/ lis (früher weiter verbreitet; statt sonst heute größtenteils le/ les – ihm, ihr/ ihnen).
  • Im Ansotano ist r am Wortende immer stumm, im Cheso und den anderen Dialekten nicht: muller [muˈʎe] / [muˈʎeɾ] (Frau), tornar [toɾˈna] / [toɾˈnaɾ] (zurückkommen). Im Cheso wird sogar das /r/ bei <rs> und bei Infinitiv + Pronomen ausgesprochen: mullers [muˈʎeɾs] sonst [muˈʎes] (Frauen), dar-me [ˈdaɾ.me] sonst [ˈda.me] (mir geben).
  • Typisch für das Ansotano ist, dass im Imperfekt/Präteritum/Konditional ein i bei der 1. Pers. Sg. angehängt wird: tenebai statt teneba (ich hatte), diciei statt dicié (ich sagte), cantarai statt cantase (dass ich singen würde), etc. Die Artikel sind, wie in den meisten westaragonesischen Dialekten, o/ os/ a/ as. Charaktersistisch ist zudem, dass man statt haberbi (vorhanden sein/ geben)  estarbi benutzt: Bi está agua statt Bi ha agua (Es gibt Wasser), Quánta chent bi está! statt Quánta chent bi ha! (Wie viele Leute da sind!).
  • Im Cheso verliert die 1. Pers. Sg. im Präsens der einsilbigen Verben das i: do statt doi (ich gebe), so statt soi (ich bin), fo statt foi (ich mache), vo statt voi (ich gehe). Die Artikel sind lo/ los/ la/ las.

Zentral-Aragonesisch

  • Wie schon gesagt wurden hier die ursprünglichen Verschlusslaute besser beibehalten, nicht nur im Wortschatz (z.B. capeza, saper, lupo, fornica – Ameise, crapa – Ziege, etc.), sondern auch bei den Partizipien (ato/ ito statt sonst au/ iu).
  • Nach <m, n, l, r> können diese Laute allerdings auch sonorisieren (z.B. in den Tälern von Vio, Broto und Tena): blanco > blango (weiß), puent > puande (Brücke; nur in Vio), fuent > fuande (Quelle; nur in Vio), campo > cambo (Feld), alto > aldo (hoch), suerte > suarde (Glück). Dieses Merkmal ist allerdings nicht systematisch und nicht normativ.
  • Wie man sieht kann in manchen Tälern (Vio und Broto) der Diphthong /we/ zu /wa/ und /je/ zu /ja/ werden: suerte/ suarde, fiesta/ fiasta, tiempo/ tiampo (Zeit), cuesta/ cuasta (Abhang). Es kann auch in der Konjugation vorkommen: puasto/ puesto (gekonnt), puade/ puede (er kann), muero aber muares/ mueres (ich sterbe, du stirbst), tians/ tiens (du hast), etc. In Vio und Puértolas kann /we/ vereinzelt auch zu /wo/ werden: luogo/ luego (bald), fuogo/ fuego (Feuer).
  • Wie in Teilen des Ost-Aragonesischen tendiert das unbetonte o am Wortende dazu, wegzufallen (vor allem nach n und l, teilweise aber auch nach -r und -i): goi statt goyo (Freude), papirroi statt papirroyo (Rotkehlchen), camín statt camino (Weg), chiner statt chinero (Januar), pel statt pelo (Haar), chel statt chelo (Eis), truen statt trueno (Donner), etc. Diese Tendenz ist im östlichen Teil des Zentral-Aragonesischen am stärksten (Belsetán, Täler von Vio, Puértolas, Tella, etc.), im westlichen Teil (Tena, Biescas, etc.) fällt das -o vor allem nach -n weg.
  • Die verbreitesten Artikel sind o/ os/ a/ as, die nach Vokal in der gesprochenen Sprache zu ro/ ros/ ra/ ras [ɾo] werden: Voi ta ra ciudat / Standard «Voi ta la ciudat» (Ich gehe zur Stadt), Crompo ro vin / «Crompo lo vin» (Ich kaufe den Wein), etc.
    • Zusätzlich existiert auch der Artikel es für Maskulin Plural in der Mundart von Vio, Puértolas und im Belsetán (Bielsa) und im Bergotés (Broto, Torla, Fanlo, etc.): es camins statt sonst eher (l)os caminos (die Wege). Im Tella-Tal sind die Artikel lo/ es/ la/ las, im Belsetán sind es el/ es/ la/ las (mit lo oder o nach bestimmten Präpositionen: a lo, per lo, aber n’o, n’a, d’as, etc.). Im Belsetán gibt es zusätzlich leicht veränderte Personalpronomen und Demonstrativa, die eher ans Gaskognische erinnern: statt ell [ˈel] (er) / ella [ˈe.λa] (sie] / ells [ˈels] (sie; mask. Pl.) / ellas [ˈe.λas] (sie; fem. Pl.) sagt man dort er [ˈeɾ] / era [ˈe.ɾa] / ers [ˈes] / eras [ˈe.ɾas]; statt aquell [aˈkel] (jener) / aquella [aˈke.λa] (jene; fem. Sg.) / aquells [aˈkels] (jene) / aquellas [aˈke.λas] (jene; fem. Pl.) sagt man aquer [aˈkeɾ] / aquera [aˈke.ɾa] / aquers [aˈkes] / aqueras [aˈke.ɾas] (siehe Südostgaskognisch er, eth/ era/ ers, eths/ eras bzw. aquer, aqueth/ aquera/ aquers, aqueths/ aqueras).
  • Im Tena-Tal (Tensino und Panticuto) gibt es ein paar Eigenheiten in der Konjugation:
    • die 2. Pers. Sg. im Präteritum endet auf ós, nicht auf és: cantós statt cantés (du sangst), puyós statt puyés (du gingst hoch), temiós statt temiés (du fürchtetest), etc.
    • die Endungen für das Konditional sind arba, erba, irba statt aría, ería, iría: cantarba statt cantaría (ich würde singen), cantarbas statt cantarías (du würdest singen), temerba statt temería (ich würde fürchten), temerban statt temerían (sie würden fürchten), partirbamos statt partiríanos (wir würden teilen), etc.
  • Im östlichen Teil des Zentral-Aragonesischen (in den Tälern von Vio, Broto, Puértolas, Tella und Bielsa) gibt es auch ein paar Eigenheiten in der Konjugation:
    • in diesen Tälern, hat die 1. Pers. Sg. im Imperfekt Indikativ z.B. die Endung e statt a, genauso wie im angrenzenden ostaragonesischen Chistabín: cantabe statt cantaba (ich sang), puyabe statt puyaba (ich ging hoch), yere statt yera (ich war), febe statt feba (ich tat), etc.
    • außerdem verlieren hier die Endungen der 1. und 3. Pers. Sg. im Konditional das a: yo farí statt faría (ich würde tun), ell farí statt faría (er würde tun), cantarí statt cantaría (ich/ er würde singen), etc. In der 1. und 2. Pers. Pl. kann das a auch verschwinden: cantarinos statt cantaríanos (wir würden singen), cantaritz [kan.taˈɾiθ]/ [kan.taˈɾis] statt cantaríatz (ich würdet singen), farinos statt faríanos (wir würden tun), faritz [faˈɾiθ]/ [faˈɾis] statt faríatz (ihr würdet tun), etc. Vor allem die Formen auf í erinnern an die 1. Pers. Sg. im Gaskognische (z.B. jo cantarí/ harí; aber 3. Pers. Sg. cantaré/ haré). Auch in den Pyrenäenvarietäten des Katalanischen (vor allem Pallarès, aber auch Ribagorçà) gibt es ähnliche Tendenzen, allerdings nicht in der 1. Pers. Sg. (z.B. jo cantaria, cantarís statt cantaries, cantarí statt cantaria, cantarim statt cantaríem, cantariu statt cantaríeu, cantarin statt cantarien).
    • Die traditionellen Endungen ás, és, ís für die 1. und 3. Pers. Sg. im Imperfekt Subjunktiv wurden vor allem Bielsa, Tella und Puértolas (früher auch in Vio, etc.) beibehalten: que yo cantás statt cantase (dass ich singen würde), que trobás statt trobase (dass ich/er finden würde), que temés statt temese (dass ich/ er fürchten würde), que servís statt servise (dass ich/ er dienen würde), etc. Diese Formen erinnern stark an die des Katalanischen (cantàs, temés, servís; -às ist heute nur im Balearischen erhalten, ansonsten eher cantés)

Ost-Aragonesisch

  • In allen ostaragonesischen Varietäten überwiegt die Sonorisierung der lateinischen Verschlusslaute, auch wenn es einzelne Wörter gibt, wo sie beibehalten wurden: meligo statt melico (Bauchnabel), caixigo statt caixico (Eiche), forniga statt fornica (Ameise), ixada/ aixada statt xata/ aixata (Hacke), etc. Aber regional noch: navata (Floß) oder ripazo (Trockenmauer).
  • Wörter, die im restlichen Aragonesischen mit x beginnen, beginnen im Ost-Aragonesischen mit ix: ixada statt xata/ xada (Hacke), ixambre statt xambre (Bienenstock), ixordiga statt xordica (Brennnessel), ixafegar statt xalfegar (hecheln), ixugar statt xugar (trocknen), etc.
  • Im gesamten Ost-Aragonesischen, aber auch im Belsetán, gibt es Wörter, die sich eher wie im Katalanischen entwickelt haben: pedem > *ped > peu [ˈpew] (Fuß; sonst piet), heredem > *hered > hereu (Erbe/ Erstgeborener; sonst eher heredero), sedem > *sed > seu (Bischofssitz; sonst eher siet/ sede), gradum > *grad > grau (Grad; sonst grado). Siehe Katalanisch peu, hereu, seu, grau.
    • Dies hat wohl auch dazu geführt, dass sich die Partizipien im Ribagorzano verändert haben: estatus > *estado > *estad > estau (gewesen; estato/ estau), partitus > *partido > *partid > partiu (geteilt; partito/ partiu), etc. Im Katalanischen wurde hier t beibehalten: estat, partit, etc.
  • Im Gegensatz zum restlichen Aragonesischen ist die Endung der 1. Pers. Pl. im Großteil des Ostaragonesischen m/n und nicht mos/ nos. Dieses m/ n wird größtenteils [n] ausgesprochen, nur sehr regional wurde [m] beibehalten: cantam [kanˈtan]/ [kanˈtam] statt cantamos (wir singen), puyam [puˈjan]/ [puˈjam] statt puyamos (wir gehen hoch), temem [teˈmen]/ [teˈmem] statt tememos (wir fürchten), sentim statt sentimos (wir fühlen), que cantem statt que cantemos (dass wir singen), que sigam statt que sigamos (dass wir weiter machen), cantarem [kan.taˈɾen] statt cantaremos (wir werden singen), sentirem statt sentiremos (wir werden fühlen), etc. Im Imperfekt und Konditional empfiehlt die Academia de l’Aragonés die Endung n zu schreiben, um in der Schreibung die Einheit mit den anderen Variätaten zu gewährleisten: cantaban statt cantábanos (wir sangen), feban statt fébanos (wir taten), trobasen statt trobásenos (dass wir fänden), trobarían statt trobaríanos (wir würden finden), sentirían statt sentiríanos (wir würden fühlen). Siehe Katalanisch (z.B. cantam/ cantem, temem, sentim, que cantem, cantàvem, trobaríem, sentiríem) oder Gaskognisch (cantam, temem, sentim, cantàvam).
  • Eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Katalanischen ist das Pasau Perifrástico, das periphrastische Präteritum. Statt der synthetischen Formen benutzt man die Periphrase ir + Infinitiv. Nur an der Grenze zum Zentral-Aragonesischen (ganz im Westen des Chistabín/ Fovano) benutzt man die generellen Formen des Aragonesischen: va cantar (ich sang; sonst canté) / vas cantar (du sangst; sonst cantés) / va cantar (er/sie sang; sonst cantó) / vam cantar (wir sangen; sonst cantemos) / vatz cantar (ihr sangt; sonst cantetz) / van cantar (sie sangen; sonst cantoron). Im Chistabín und Benasqués weicht die Konjugation des Hilfsverbs etwas ab: voi/ vas/ va/ vom/ votz/ van (im Chistabín) und ve/ vas/  va/ vem/ vetz/ van (im Benasqués). Siehe Katalanisch vaig cantar/ vas cantar/ va cantar/ vam cantar/ vau cantar/ van cantar.
Vergangenheitsformen im Aragonesischen (Synthetische Form im West- und Zentral-Aragonesischen, periphrastische Formen im Ost-Aragonesischen)
  • Besonders im Norden (Chistabín, Benasqués und nördlichem Ribagorzano) hat man die inkoative Konjugation einiger Verben beibehalten: ablandir > ablandeixco/ ablandeixes/ ablandeix statt ablando/ ablandes/ ablande (ich werde weich/ du wirst weich/ er wird weich), patir > pateixco/ pateixes/ pateix statt pato/ pates/ pate (ich leide/ du leidest/ er leidet), etc. Siehe Katalanisch (z.B. ablaneixo/ ablaneixes/ ablaneix; pateixo/ pateixes/ pateix) oder Gaskognisch (ablaneishi/ ablaneishes/ ablaneish; pateishi/ pateishes/ pateish).
  • Im Chistabín und Benasqués kann es, wie im Belsetán und den Tälern von Vio und Tella, zum Verlust von i bei <it> kommen: nueit [nwej(t)] > nuet [nwet] (Nacht), feito > feto (gemacht), muito > muto bzw. im Benasqués molto (viel), etc.
  • Einige Eigenheiten des Ribagorzano:
    • Das Ribagorzano weist zwei Eigenheiten in der Aussprache auf, die es von allen anderen aragonesischen Varietäten unterscheidet. Die eine nähert es an das Katalanische an, die andere findet man nur hier:
      • Wie im Katalanischen palatalisiert das lam Wortanfang zu ll[ʎ]: lobo > lloboʎo.βo] (Wolf; kat. llop), lugar > llugar [ʎuˈɣa] (Ort; kat. lloc), luna > lluna (Mond; kat. lluna), labio > llabio (Lippe; kat. llavi), luent > lluentʎwen] (weit entfernt; kat. lluny), luz > lluz/ llum (Licht; kat. llum), etc.
      • Einzigartig für das Ribagorzano (auch für die angrenzenden ribagorzanischen Dialekte des Katalanischen) ist, dass das /l/ bei <bl-, cl-, gl-, fl-, pl-> am Wortanfang palatalisiert. Es kann aber auch in anderen Positionen palatalisieren. Diese Entwicklung ähnelt dem Italienischen: blanco > bllancoaŋ.ko] (weiß; kat. blanc; it. bianco), clau > cllauaw] (Schlüssel; kat. clau; it. chiave), flama > fllamaa.ma] (Flamme; kat. flama; it. fiamma), flor > flloro] (Blume; it. fiore), plorar > pllorar [oˈɾa] (weinen; kat. plorar; it. piorare aber heute piangere), salir > sallir [saˈʎi] (rausgehen), parlar > parllar [paɾˈʎa] / neuerdings auch das spanische Lehnwort habllar [aβˈʎa] (sprechen), etc.
    • Es gibt auch die Tendenz, einige kurze e des Lateinischen nicht zu diphthongieren, was es auch dem Katalanischen näher bringt: pedra statt piedra (Stein; kat. pedra), ben statt bien (gut; kat. bé/ ben), tamé statt tamn (auch; kat. també). Im Norden gibt es das häufiger und kann auch selten das kurze lateinische o betreffen; z.B. auch bei sort statt sonst suerte (Glück; kat. sort), terra statt tierra (Land; kat. terra), tempo statt tiempo (Zeit; kat. temps), dents statt dients (Zähne; kat. dents), pell statt piel (Haut; kat. pell), bou statt buei (Ochse; kat. bou), etc. Es gibt auch Verben, die ohne Diphthong konjugiert werden: pensar > penso/ pensas/ pensa statt pienso/ piensas/ piensa (ich denke/ du denkst/ er denkt; kat. penso/ penses/ pensa), etc. Dieses Phänomen beschränkt sich aber immer nur auf einzelne Wörter, generell wird diphthongiert: ciel/ cielo (Himmel; kat. cel), uello (Auge; kat. ull), ahiere (gestern; kat. ahir), siempre (immer; kat. sempre), nieto (Enkelsohn; kat. nét), etc.
    • Die Gerundien werden im Ribagorzano außerdem mit nd gebildet, [n] ausgesprochen, und nicht mit ndo: cantand [kanˈtan] statt cantando (singend), fend [ˈfen] statt fendo (machend), bebend [beˈβen] statt bebendo (trinkend), seguind [seˈɣin] statt seguindo (weitermachend), etc. Siehe Katalanisch (z.B. cantant [kanˈtan(t)], fent [ˈfen(t)], etc.) oder Okzitanisch (cantant, fent, etc.).
    • Das Benasqués gilt als Übergangsdialekt zum Katalanischen und weicht in vielen Teilen von den anderen aragonesischen Varietäten ab, auch, wenn man die meisten Eigenschaften auch im restlichen Ribagorzano findet. Einige Merkmale, die man jedoch nur hier findet, sind z.B:
      • Es gibt kein [θ], <za, ce, ci, zo, zu> werden [s] ausgesprochen: mocet [moˈset] statt [moˈθet] (Junge), cinco siŋ.ko] statt [ˈθiŋ.ko] (fünf), zona [ˈso.na] statt [ˈθo.na] (Zone), cielo sje.lo] statt [ˈθje.lo] (Himmel), etc.
      • Daher wird <tz> auch nicht [θ], sondern [t͡s] ausgesprochen: amistatz [a.misˈtat͡s] statt [a.misˈtaθ] (Freundschaften), cantatz [kanˈtat͡s] statt [kanˈtaθ] (ihr singt), etc.
      • Es gibt ein paar offene <e, o>: fòrt [ˈfɔrt] (stark; sonst fuerte; siehe kat. fort [ˈfɔrt]) — fort [ˈfort] (Ofen; sonst forno/ furno; kat. forn [ˈforn]), sèt [ˈsɛt] (sieben; sonst siet; kat. set [ˈsɛt]) — set [ˈset] (Durst; sonst sete; kat. set [ˈset]), foc [ˈfɔk] (Feuer; sonst fuego; kat. foc [ˈfɔk]) chous [ˈt͡ʃɔws] (Donnerstag; sonst chueves; kat. dijous [diˈʒɔws]), mel [ˈmɛl] (Honig; statt miel; kat. mel [ˈmɛl]). Es sind allerdings wenige Wörter, meistens wird wie im restlichen Aragonesisch diphthongiert.
      • Im Norden des Benás-Tals (Benás und Saúnc) wird der Plural femininer Substantive mit es gebildet, nicht mit -as. Auch in der I. Konjugation findet man es, e, em, etz, en statt sonst -as, -a, -am (bzw. –amos), –atz und -an. Dies stimmt teilweise mit dem Katalanischen, besonders mit dem angrenzenden Nordwest-Katalanischen, überein: les cases statt las casas (die Häuser; kat. les cases), les vaques statt las vacas (die Kühe; kat. les vaques), trobo/ trobes/ trobe/ trobem/ trobetz/ troben statt trobo/ trobas/ troba/ trobam, trobamos/ trobatz/ troban (ich finde/ du findest/, etc.; kat. trobo/ trobes/ troba [nordwestkat. trobe]/ trobem/ trobeu/ troben), etc.
      • Der Wortschatz ist dem Katalanischen in vielen Punkten näher als der Wortschatz anderer Varietäten, so z.B. perdiu (Wachtel; statt perdiz; kat. perdiu), dòna (Frau; sonst muller; kat. dona), moscllo (Schulter; statt huembro; kat. muscle/ espatlla), cap (kein; statt garra; kat. cap), demá (morgen; statt maitín/ manyana; kat. demà), dan (mit; statt con; kat. amb; gask. damb), fame (Hunger; statt fambre; kat. fam/ gana), món (Welt; statt mundo; kat. món), abre (Baum; statt arbol; kat. arbre), aigua (Wasser; statt agua; kat. aigua), caball [kaˈβaʎ] (Pferd; statt caballo; kat. cavall), tancar (schließen; statt zarrar; kat. tancar), etc. Auch einige Verben im Norden erinnern eher ans Katalanische: beure / viure/ riure/ moure (trinken/ leben/ lachen/ bewegen; statt beber/ vivir/ redir/ mover; kat. beure/ viure/ riure/ moure), tinre/ vinre/ entenre (haben/ kommen/ verstehen; statt tener bzw. tenir im Ribagorzano/ venir/ entender; kat. tenir bzw tindre/ venir, vindre/ entendre), etc. Die spiegelt sich zudem in der Konjugation wieder: beugo/ beus/ beu statt bebo/ bebes/ bebe (ich trinke/ du trinkst/ er trinkt; kat. bec/ beus/ beu), entengo/ entens/ entene statt entiendo/ entiendes/ entiende (ich verstehe, etc.; kat. entenc/ entens/ enten), etc.

Süd-Aragonesisch

Es gibt wenig „typisch“ südaragonesische Eigenschaften, da sich das Süd-Aragonesische ja hauptsächlich durch seine starke Kastilisierung auszeichnet. Außerdem geht man heute eher davon aus, dass diese Varietäten das Ergebnis der Wiederbesiedlung im Mittelalter sind, was bedeutet, dass sich die Eigenheiten der Pyrenäen-Varietäten nach Süden ausbreiteten (mit den Siedlern, die von den Hochtälern in die Ebenen wanderten). Dort, wo es noch am lebendigsten ist (z.B. in der Umgebung von Ayerbe, Agüero und Lobarre [Ayerbense], dem Viello Sobrarbe oder im Somontano de Balbastro [Semontanés de Balbastro]) findet man folgende Eigenheiten:

  • Aufgrund des Spanischen kommt es zur sogenannten Cheada, d.h. der Laut [ʃ] wird zu [t͡ʃ] affrikatisiert: frachenco statt fraixenco (Ferkel/ Frischling; vom altfränkischen frisking), bucho statt buixo (Buchsbaum), chiringa statt xeringa (Spritze), etc. Die Cheada ist meist ein Zwischenschritt zur vollständigen Kastilisierung eines Wortes, z.B. xada ʃa.ða] > chada t͡ʃa.ða] > jada xa.ða] > und schließlich das spanische azada [aˈθa.ða] (Hacke); coixo [ˈko.ʃo]/ [ˈkoj.ʃo] > cocho [ˈko.t͡ʃo] > cojo [ˈko.xo] (humpelnd). Meistens bleibt [ʃ] aber bei den Demonstrativa erhalten (z.B. ixe – dieser, ixa -diese, ixo – dieses, etc.).
  • Besonders im Ayerbense und im Viello Sobrarbe findet man Reste der lateinischen Verschlusslaute: forato (Loch), vetiello (Kalb), parete (Wand), alica/ aliga (Adler), melico (Bauchnabel), etc.
  • Die meisten Wörter, die im Aragonesischen eigentlich it haben, wurden durch die spanischen Formen ersetzt: dicho statt dito (gesagt), noche statt nueit (Nacht), ocho statt ueito (acht), fecho/ hecho statt feito (gemacht), etc.
  • Der Diminutiv et wird entweder [ed] oder [eɾ] ausgesprochen: mocet [moˈθed]/ [moˈθ] (Junge), poquet [poˈked]/ [poˈk] (bisschen), etc.
  • Das Verb fer (machen) hat im Ayerbense spanische Einflüsse: fago (span. hago)/ faces (haces)/ face (hace) / femos/ feis (span. hacéis/ arag. fetz) / fan. Im Semontanés de Balbastro wurden die aragonesischen Formen foi/ fas/ fa/ femos/ fetz/ fan beibehalten.
  • Die verbreitetsten Artikel sind o/ os/ a / as, im östlichen Teil des Semontano de Balbastro findet man aber auch lo/ los/ la / las.

Hier eine Tabelle mit Geosynoymen — also Wortschatz, der in den west- und ostaragonesischen Varietäten unterschiedlich ist, aber dieselbe Bedeutung hat — und den Entsprechungen im Spanischen und Katalanischen/ Gaskognischen.

aragones vocabulario

Das sollte für den Anfang reichen. Es wird deutlich, dass das Aragonesische sowohl Eigenschaften des Spanischen aufweist (z.B. die Diphthongierung), als auch Eigenschaften des Okzitanischen – besser gesagt, des Gaskognischen – und des Katalanischen. Selbst kulturell stehen sich die Nordaragonesen und Gascogner ziemlich nah, was zum einen daran liegt, dass während und nach der Reconquista viele Gascogner in Aragonien  siedelten, und zum anderen aber auch am jahrhundertelangen Austausch zwischen den Menschen, die auf der einen oder anderen Seite des Pyrenäenkamms lebten. So kommt es, dass die okzitanische Nationalhymne (je nach Region Se canta, Se chanta, Aquelas Montanhas, Aqueras Montanhas, Aqueres Montanhes oder La fònt de Nimes genannt) auch auf der aragonesischen Seite der Pyrenäen ein sehr bekanntes traditionelles Lied ist (Aqueras Montanyas, von Labordeta). Es mag sein, dass die Sprache im Mittelalter dem Katalanischen näher stand (da beide Sprachen Amtssprachen der Krone Aragoniens waren und ähnliche lautliche Entwicklungen durchlaufen hatten), heute ist aber eine zweifelsfreie Zuordnung zum okzitano-katalanischen Zweig nicht mehr möglich. Dafür war der spanische Einfluss wohl einfach zu groß. Daher ist der Status als Brückensprache wohl der geeignetste.

Soziolinguistische Situation der Sprache

Zur soziolinguistischen Situation der Sprache muss man sagen, dass ihre Zukunft mehr als ungewiss ist. Sowohl die UNESCO als auch Ethnologue (Datenbank des ISL International, die alle Sprachen der Welt klassifiziert und ihre sprachwissenschaftliche Forschung dokumentiert) führen sie als eine vom Aussterben bedrohte Sprache (so wie hierzulande das Nordfriesische, das auch in etwa genauso viele Sprecher hat). Genaue Sprecherzahlen waren lange Zeit nicht bekannt, weshalb diese – je nach politischer Neigung – mit zwischen 5.000 und 60.000 angegeben wurden. Eine aktuelle Studie vom Equipo Euskobarometro für die Regierung Aragoniens (Estudio sociolingüístico de las hablas del Alto Aragón, Natxo Sorolla 2012) gibt uns jetzt endlich echte Zahlen: Von den 129.964 Befragten in Ober-Aragonien, gaben ca. 25.000 an, Aragonesisch zu sprechen, ca. 13.000 von ihnen als erste Muttersprache. Das macht etwa 19% der in Ober-Aragonien ansässigen Bevölkerung aus. Bei den über 60-Jährigen gaben 24% an, Aragonesisch zu sprechen, während es bei den 15 bis 19-Jährigen nur 8,5% waren. Außerdem besitzen etwa 50.000 Menschen passive Kenntnisse der Sprache, d.h. sie verstehen sie, können sie aber nicht wirklich sprechen, geschweige denn schreiben. Da sich diese Studie allerdings nur auf die Region Alto Aragón (Norden der Provinz Huesca) beschränkt, hat man keine Daten über Aragonesisch-Sprecher, die nach Zaragoza oder andere größere Städte gezogen sind (bei der Landflucht, die Huesca erfahren hat, müssten das einige sein) und auch die Neofablants („neue Sprecher“) wurden nicht erfasst. Diese Neofablants, die aus unterschiedlichsten Gründen Aragonesisch gelernt haben und sich in Vereinen treffen, um die Sprache zu sprechen, konzentrieren sich meist auf Zaragoza und Teruel; Städte, in denen seit Jahrhunderten kein Aragonesisch mehr gesprochen wird. Für die gesamte aragonesische Sprachpolitik ist es symptomatisch, dass alles von Zaragoza aus entschieden wird, wo es nicht einen einzigen Muttersprachler gibt (außer natürlich Zugezogenen). Außerdem wird die Sprache – wie eigentlich alle Sprachen in Spanien – politisiert. Egal ob in Barcelona, Donostia-San Sebastian, Palma, León oder in Zaragoza, überall versuchen politische Kräfte — vor allem rechte bis rechtsextreme spanisch-nationalistische — die Sprachen zum Politikum zu machen. Eher linke Kräfte, die sich für den Erhalt der Sprachen einsetzen, gelten dann sofort als Separatisten oder Spanien-Hasser. Durch die Katalanophobie des Consello d’a Fabla, der Hauptakteur in der ersten Standardisierung war, wurden tausende Sprecher einfach ignoriert, nur weil ihre Dialekte dem Katalanischen näher sind (die Mehrheit der heutigen Muttersprachler sind Sprecher ostaragonesischer Dialekte; so sprechen im aragonesischsprachigen Teil der Ribagorza zwischen 29 und 35% der Bevölkerung Aragonesisch, je nachdem, ob man Graus miteinbezieht oder nicht; in einigen kleinen Orten steigt der Anteil auf über 60%). Dabei vergessen diese Leute, dass eine Sprache nur überlebt, wenn sie gesprochen wird. Und die Politisierung des Aragonesischen war angesichts der aktuellen Sprecherzahlen ein großer Fehler.

Es bleibt zu hoffen, dass er noch berichtigt werden kann. Zumindest scheint es so, dass die jetzige Regionalregierung sich mehr darum bemüht. Dieses ganze hin und her muss endlich ein Ende haben. Wie kann es sein, dass für eine so kleine Sprache in wenigen Jahren drei unterschiedliche Orthographien erschienen sind? Jeder Verein, der sich für den Erhalt der Sprache einsetzt, sieht sich als offizieller Vertreter, obwohl ihn niemand dazu ernannt hat. Damit scheint Schluss zu sein. Zum ersten Mal in der Geschichte, hat die Regionalregierung eine eigene Abteilung für Sprachpolitik (Dirección General de Política Lingüística). Zudem sieht die jetzige Regierung für das Jahr 2017 u.a. vor, eine offizielle Sprachakademie einzurichten, die sich auch mit der Ausarbeitung einer allgemein gültigen Rechtschreibung und Grammatik beschäftigen soll (sollte 2017 erscheinen, was nicht passiert ist; allerdings hat die Academia de l’Aragonés 2021 eine umfangreiche Grammatik rausgebracht; siehe unten). Außerdem sollen wohl mehr Schulen in Ober-Aragonien Aragonesisch als Schulfach anbieten: 2017 lernten über 1.060 Schüler Aragonesisch als Wahlfach (vor allem in Ansó, Echo, Bielsa, Val de Chistau, Val de Benásc und der Ribagorza). Außerdem sollen ab 2018 ca. 60 Schulen Immersionsprojekte anbieten: ab der Vor- und Grundschule sollen ca. 6 Stunden/ Woche Aragonesisch gesprochen werden, später hat man Aragonesisch als Fach und ein zusätzliches Fach (Soziales, Naturwissenschaften oder Kunst), das auf Aragonesisch unterrichtet wird. An drei Orten (Echo, Pandicosa und Benásc) gibt es zudem Kindergärten/Vorschulen, in denen nur Aragonesisch gesprochen wird (in Benásc, nehmen z.B. alle Vor-, Grund- und die meisten Sekundar-Schüler am Aragonesisch-Unterricht teil). Aragonesisch und das auf Aragonesisch unterrichtete Fach sollen bis zum Abitur belegt werden können. Um dementsprechend Lehrkräfte auzubilden, bietet die Universität Zaragoza seit 2020 die Zusatzqualifikation Aragonesische Sprache an.

Weil das Aragonesische traditionell in den Medien fast vollkommen fehlte (bis auf einzelne, sporadische Zeitungsartikel und Beiträgen im Lokalradio bzw. -fernsehen), soll ab 2017 auch ein Programm entstehen, das dann einmal pro Woche in den autonomen Medien (Aragón TV und Aragón Radio) ausgestrahlt wird. Charrín Charrán, eine halbstündige Sendung — die erste Sendung, die vollständig auf Aragonesisch ist — die seit 2019 wöchentlich ausgestrahlt wird, scheint ziemlich gut anzukommen. Außerdem hat das Sprachbüro ein digitales Spanisch-Aragonesisch-Wörterbuch herausgebracht (das Aragonario; inkl. Konjugationen; allerdings in der Rechtschreibung der aragonesischen Regierung, die fast niemand benutzt) und ein Online-Portal mit Information zum Aragonesischen (und Katalanischen) eröffnet. Dort gibt es z.B. auch viele Dokumente mit Basis-Wortschatz in Ribagorzano.

Solange man den Leuten vor Ort allerdings keine Perspektiven bietet, um auch weiterhin dort leben zu können, wird sich die Situation nicht verbessern. Es hilft ja nichts, wenn man versucht die Sprache zu retten, die Menschen aber wegziehen müssen, weil es dort keine ertragreiche Arbeit mehr gibt (die Region ist eh überaltert, teilweise sind nur knapp 8% der Bevölkerung unter 15 Jahre alt und über 35% über 65). Viele der Regionen, wo das Aragonesische noch heute benutzt wird, leiden, wie weiter oben beschrieben, extrem unter der Landflucht: in vielen Gemeinden leben weniger als 5 Menschen/ km² (Prignitz, der entvölkerteste Landkreis in Deutschland, hat eine Dichte von 36 Einwohner/ km²); Täler wie die von Bielsa (-50%), Chistau (-65%) oder Puértolas (-71%) haben seit 1950 über die Hälfte ihrer Einwohner verloren. Die Baixa Ribagorza hat zwar insgesamt weniger verloren (ca. 32%), doch wenn man den Hauptort Graus, wohin viele gezogen sind und der ein starker Kastilisierungspol in der Region ist, rausnimmt, dann beträgt die Abnahme über 52%. Und auf der anderen Seite haben wir die Täler, die viel Einwanderung von Außerhalb erfahren haben und wo die Leute aus Scham aufgehört haben, das Aragonesische weiterzugeben. Beispiele dafür haben wir weiter oben gesehen, aber ein weiteres deutliches Beispiel ist z.B. das Benásc-Tal: lange Zeit war dies eine Hochburg der Sprache, fast alle Einwohner waren Muttersprachler. Doch seit den 70ern kamen immer mehr Leute von Außerhalb, um im Bau und im Tourismus zu arbeiten (1970 eröffnete das Ski-Gebiet Aramon Cerler in Sarllé/ Cerler). Die Bevölkerung der Gemeinde Benásc/Benasque wuchs daraufhin von 733 (1970) auf 1.500 (2000) und fast 2.200 im Jahr 2020. Über 80% der heutigen Einwohner wurden nicht in der Gemeinde geboren, fast 60% stammen von Außerhalb des aragonesischen Sprachgebiets (31% aus dem Rest Spaniens, 15% aus dem Ausland, 13% aus dem Rest Aragoniens). In Castilló de Sos/ Castejón de Sos sieht es ähnlich aus. Daher hört man die Sprache in den Hauptorten des Tals immer weniger, am lebendigsten ist sie in den umliegenden Dörfern (Saúnc, Grist, Erisué, Chía, Bisagorri, Gabás, etc.), die zwar allesamt Einwohner verlieren, aber wo die überwältigende Mehrheit der Menschen noch Aragonesisch bzw. Benasqués spricht.

Nichtsdestotrotz gibt es Hoffnung. Immer mehr Sprecher scheinen die Scham abzulegen, und fangen wieder an, Aragonesisch zu sprechen. Es gibt ein paar Musiker und Bands, die auf Aragonesisch singen (z.B. A Roda de Boltaña mit Baxando t’a escuela, Maria José Fernández mit Augua que amorta la set, Déchusban mit A falordia d’as zinglas, Prau mit Paretz crebadas, Mallacan mit Canta trista d’Irina, die Gaiters de Chaca mit A Güega d’o Somport und natürlich die Jota aus dem Echo-Tal S’ha feito de nuei), es erscheinen Bücher (besonders Kinder- und Jugendbücher) auf Aragonesisch und im Parlament von Aragón hat zum ersten Mal ein Parlamentarier das Aragonesische benutzt, um seine Rede zu halten (hier). Außerdem hat der Rapper Krevi Solanco, der schon 2017 sein erstes Lied — No ye que rap — auf Aragonesisch veröffentlicht hatte, 2020 ein Album rausgebracht, das vollständig auf Aragonesisch ist (z.B. Au d’aquí oder O tuyo camín)

Wer sich mal gesprochenes Aragonesisch anhören möchte, kann dies tun: hier eine Frau aus San Chuan de Plan (in Chistabín), hier mehrere Leute aus Bielsa (in Belsetán), hier welche aus Ansó (in Ansotano), hier die Geschichte einer Aragonesisch-Lehrerin im Tal von Benásc (in Benasqués) und hier mehrere Leute aus der Ribagorza (in Ostaragonesisch). Das Online-Portal der aragonesischen Regierung hat auch einige Video-Archive auf Youtube hochgeladen (Archivo Audiovisual de l’Aragonés), wo man sich die meisten Dialekte anhören kann, z.B. Cheso (hier; auch mit jüngeren Sprechern), Belsetán (hier), Benasqués (hier oder hier), Ribagorzano (hier in Foncense, auch junge Sprecher; hier in Campés), etc.

Außerdem gibt es auf Youtube einen veganen Koch-Kanal — A Escuchetes von Silvia Cebolla, die jetzt auch die Moderatorin von Charrín Charrán ist — der ausschließlich auf Aragonesisch ist (hier). In letzter Zeit ist zudem Jorge Pueyo (ein Anwalt/ Moderator aus Fonz) in den sozialen Netzwerken ziemlich bekannt geworden. Er ist Sprecher des Nieder-Ribagorzanischen (Baixorribagorzano), moderierte einige Reportagen von Charrín Charrán (z.B. hier) und fasst z.B. die wichtigsten oder lustigsten Nachrichten aus Aragonien in einem kurzen „Morgen-Magazin“ zusammen.

https://platform.twitter.com/widgets.js

So, ich glaub, ich hab jetzt alles, was mir wichtig war, erzählt. Ich hoffe, dass ich euch einen guten Einblick in diese Sprache geben konnte, da die Informationen auf Deutsch dazu halt eher rar sind. Im Sinne von Ánchel Conte, einem der wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller in aragonesischer Sprache, beende ich den Beitrag mit:

No deixetz morir a mía voz! 

(Lasst meine Stimme nicht sterben)

Andere Quellen/ Atras fuents:

Werbung

2 Gedanken zu “L’Aragonés – Das Aragonesische

  1. Pingback: El recompte de parlants d’aragonès (Spanien für deutsche – Das Aragonesische | Xarxes socials i llengües - La Franja

  2. Pingback: El recompte de parlants d’aragonès (Spanien für deutsche – Das Aragonesische | Xarxes socials i llengües

Hat dir der Artikel gefallen? Hast du Anregungen oder Kritik? Sag's mir!

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..