Podemos: Spaniens neue Linke

Im Zusammenhang mit der sogenannten Griechenlandkrise 2015 fiel neben der griechischen Partei Syriza auch ab und zu der Name Podemos. Man befürchtete, dass es in Spanien auch zu ähnlichen Verhältnissen kommen könnte, wie in Griechenland. Aber was ist Podemos? Wer sind diese Leute, und was wollen sie? 

Podemos (Wir können es) entsteht 2014 als Protest-Partei, um zur Europawahl zu kandidieren. Der Nährboden der Partei ist die anhaltende Krise (Spanier nennen es lieber Betrug) und die sozialen Bewegungen, Initiativen und Protestbewegungen, die im Rahmen der Proteste in Spanien 2011 und 2012 entstanden sind. Darüber werde ich aber ein anderes Mal schreiben. Gegründet von Intellektuellen, Politikwissenschaftlern, Journalisten und sozialpolitischen Aktivisten, greift sie die aggressive Sparpolitik der Regierung und die milliardenteure Bankenrettung und deren Folgen für die Bevölkerung an. In den Medien fand die Partei kaum Beachtung zu der Zeit. Selbst Umfragen sahen die Partei bei höchsten 2%. Dann kam der 25. Mai 2014 und Podemos gelang mit fast 8% der Stimmen die große Überraschung. Seitdem ist die Partei täglich, wirklich täglich, in den Medien. Podemos hier, Podemos da. Unter den Politikern und Machthabern der etablierten Parteien machte sich Angst breit. Angst davor, ihre ganzen ach so schön demokratischen Privilegien zu verlieren. Am schlimmsten verhielt sich hier die christlich-konservative Volkspartei PP (Partido Popular). Die Partei ist wohl am ehesten mit der CSU vergleichbar, was ihre Inhalte und Werte betrifft. Was vielen Spaniern, natürlich eher den linksorientierten, bitter aufstößt, ist die Vergangenheit der Partei. Denn gegründet wurde sie von Manuel Fraga, der zur Zeit von Franco Innenminister gewesen war. Auch andere hohe Tiere des Franco-Regimes fanden hier ihren Zufluchtsort. Es wurde eine regelrechte Verleumdungskampagne gegen Podemos gestartet. Fast täglich erschienen in den Zeitungen und Nachrichtenjournalen neue aberwitzige Gerüchte, und dies intensivierte sich jedes Mal, wenn irgendwo Wahlen anstanden. Hier ein Beispiel: In unzähligen Medien wurde ein Foto veröffentlicht, wo man Pablo Iglesias, den Parteivorsitzenden von Podemos, in einem Auto sitzend, auf sein Handy schauen sieht. Man erkennt auf dem Foto weder ob Iglesias am Steuer saß oder auf dem Beifahrersitz, noch ob das Auto fuhr oder nicht. Trotzdem hieß die Überschrift: „Iglesias wird dabei erwischt, wie er sein Handy Pablo Iglesiasbenutzt, während er das Auto seiner Mutter fährt!“. Mehrere Politiker waren empört darüber und zogen über Iglesias her, obwohl es, wie gesagt, keine Beweise dafür gab, dass er tatsächlich gefahren war. Komisch dabei ist eigentlich nur, dass die Medien, die dieses Foto veröffentlicht haben, im selben Jahr (2014) die damalige Präsidentin der Region von Madrid, Esperanza Aguirre von der PP, in Schutz nahmen, als diese unerlaubt auf einer Busspur in Madrid parkte, und, als die Polizei kam, um ihr einen Strafzettel auszustellen, einfach weg fuhr, dabei das Motorrad des Polizisten umfuhr, auf der Flucht dann noch die Polizeistreife ignorierte, die sie dazu aufforderte anzuhalten, nur um dann schnell in ihrer Garage zu verschwinden und bis heute alles zu leugnen. Und dafür gab es wirklich Zeugen und Beweise. Auch Miguel Ángel Rodríguez, Ex-Staatssekretär der PP, ließ sich über Iglesias aus, obwohl er selbst erst 2013 von der Polizei festgenommen worden war, weil er betrunken (der Wert war viermal höher als erlaubt) in drei parkende Autos gefahren war. Doppelmoral? Nee, nur die PP. Mit solchen Beispielen könnte ich weiter machen, bis ich alt und grau bin, aber das würde wohl den Rahmen sprengen. Die häufigsten Unterstellungen sind folgende: Finanzierung durch die Diktatur in Venezuela (oder Iran), Populismus, Unterstützer der ETA etc. Kommentare wie „Wenn Podemos gewinnt, wird Spanien zu einem zweiten Venezuela“, „Wenn Podemos gewinnt, ergeht es Spanien bald wie Griechenland“ oder „Wenn Podemos gewinnt, [alternativ kann man hier jedes Horrorszenario einsetzen, denn wenn Podemos gewinnt, geht die Welt sowieso unter]“ heizten die Stimmung gegen die Partei immer weiter an.

Und trotzdem, die Partei ist weiter auf dem Vormarsch. Zwar hat sie Stimmen eingebüßt, schließlich stand sie im Sommer 2015 bei Umfragen auf Platz 2, manchmal sogar auf Platz 1. Doch das Wahlergebnis der Parlamentswahlen in Spanien im Dezember 2015 haben, obwohl sie nicht gewonnen haben (sie haben aber immerhin 21% erzielt), etwas gutes bewirkt. Das Zweiparteiensystem, das in Spanien seit der Diktatur geherrscht hat, ist vorbei. Mit Podemos und Ciudadanos sind zwei neue Parteien im Spiel, die die unbewegliche Politik ein bisschen aufmischen können. Zwar hat die PP mal wieder gewonnen (man kann sich einfach nur fragen, was noch passieren muss, damit sich das ändert), doch die absolute Mehrheit ist futsch. Mit ihren 28% müsste sie mit den „Sozialisten“ vom PSOE (der heutigen SPD ähnlich), die 22% erzielte und mit Ciudadanos (es gibt dazu kein Pendant in Deutschland, wie PP nur in jung und hübsch), die 14% bekamen, eine Koalition bilden. Und das, wird nie passieren. Denn PP und PSOE können sich nicht ausstehen, obwohl sie beide für das alte, korrupte Spanien stehen. Naja, vielleicht auch gerade deshalb. Noch gibt es jedoch keine Regierung, die Wahl ist zwar fast 3 Monate her, aber hey, wozu die Eile?

Einige Erfolge konnte Podemos mit seinen Schwesterparteien aber schon erzielen. Sie stellen die Bürgermeister/-innen in Barcelona, Madrid, Valencia, A Coruña, Santiago de Compostela, Zaragoza und Cádiz, und sind in den Landesregierungen von Navarra (mit Geroa Bai und EH Bildu), Valencia (mit dem PSOE und Compromís), Extremadura (mit PSOE), Castilla-La Mancha (mit PSOE) und den Balearen (mit PSOE und Més). Außerdem wurde erreicht, dass die PP, die bisher in 10 „Bundesländern“ (in Spanien heißen sie Autonome Gemeinschaften) eine absolute Mehrheit hatte, diese absolute Mehrheit überall verlor.

In den Städten und Autonomen Gemeinschaften, wo Podemos mitregiert, konnten schon einige positive Ding erreicht werden. In Barcelona hat Ada Colau, die Bürgermeisterin, es geschafft, obwohl sie eine Minderheitenregierung ist und deshalb alles mit den anderen Parteien verhandeln musste, einiges zu ändern. Unter anderem wurden die Zuschüsse für Mahlzeiten und Schulmaterialien für Schüler ausgeweitet, die Fahrpreise für sozial schwache Familien verringert und es wurden die Gehälter der Abgeordneten gekürzt. Naja, zumindest wurde es versucht, denn die Opposition, die in der Mehrheit ist, stimmte dagegen, sodass man entschied, dass man es einfach parteiintern regelt, sodass jetzt die Abgeordneten von Podemos nur 2.200 Euro/ Monat verdienen anstatt zwischen 4800 und 7000 /Monat. Außerdem wurde mit Banken verhandelt, um Zwangsräumungen zu stoppen und leerstehende Wohnung als Sozialwohnung zu vermieten und es wurde auch mit Großkonzernen verhandelt, damit diese den Leuten nicht einfach den Strom, das Wasser oder das Gas abstellen, wenn mal nicht gezahlt werden kann. Auch Madrid und Valencia können Erfolge vorzeigen, Madrid besonders, weil sie die Kosten für Berater mehr als halbiert haben und mehr als 45 Mio. Euro sparen konnten, indem sie keine Miete für ungenutzte, leerstehenden Räume  an dubiose Bauunternehmen zahlte. Und in Valencia hat man angefangen, den „Dreck unter dem Teppich wegzuwischen“, womit unzählige Korruptionsfälle ans Licht gekommen sind.

Natürlich liegt noch viel vor ihnen. Zumal Spanien ja auch erst einmal einen Präsidenten braucht. Aber der Anfang ist gemacht. Und zu meinem Erstaunen, bin ich echt zufrieden. Ich war zwar dafür, dass Podemos gewinnt, aber ich war mir unsicher, wie sie die Dinge umsetzen würden. Es wurde von den Vorgängerregierungen immer gesagt, dass man kein Geld mehr habe, um die Sozialleistungen zu verbessern und dass man nicht mit den Banken und Großkonzernen verhandeln konnte. Und jetzt kommt diese neue Partei, und schafft es. Da wird mal wieder deutlich, wie sehr alles in der Politik mit dem politischen Willen zusammenhängt. Verglichen mit dem restlichen Mist, ist diese Partei wirklich ein kleiner Lichtblick.

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