Kantabrien

Ich bin mir fast sicher, dass man die Leute in Deutschland, die schon etwas über Kantabrien gehört haben, an einer Hand, vielleicht an zwei Händen, abzählen kann. Ich mag mich täuschen und lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, aber Fakt ist, dass es eine, im Ausland, sehr unbekannte Region ist. Und das zu unrecht. Spanier haben längst die Reize, die diese kleine Region im Norden versprüht, zu schätzen gelernt.

Auf Spanisch Cantabria genannt, verdankt sie ihren Namen dem Volk der Kantabrer, einem vorindogermanischen Volk, das das Gebiet vor etwa 2500 Jahren bewohnte und nach langen Kämpfen schließlich von den Römern unterworfen wurde. Doch die Geschichte geht noch weiter zurück. Ende des 19. Jhd. entdeckte ein Jäger, dessen Hund entlaufen war, den Eingang einer Höhle. Das war der Anfang der Cueva de Altamira, der Höhle von Altamira. In ihr fand man fast 1000 prähistorische Höhlenmalereien, die unglaublich gut erhalten waren. Seit ca. 37.000 v. Chr. genutzt, geriet sie in Vergessenheit, als der Eingang 11.000 v.Chr. zusammenfiel und den Durchgang versperrte. Seit 1979 ist die Höhle für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich, da die jährlich über 100.000 Besucher das Mikroklima in der Höhle gefährdeten und die Malereien zu schimmeln begannen. So erbaute man eine genaue Nachbildung der Höhle, die man heute besichtigen kann. Ich war dort im Sommer 2007, wenn ich mich recht erinnere, und es war beeindruckend. Diese Farben, die Motive, einfach unglaublich. Auch wenn man wusste, dass es nur die Nachbildung war, so war man doch direkt neben der richtigen Höhle, wo die Bilder in ebenso satten Farben von der Decke auf einen herabguckten.

Die Hauptstadt von Kantabrien ist Santander, den Namen hat man vielleicht schon mal gehört, schließlich heißt so auch die drittgrößte Bank der Welt. Die Stadt ist sehr schön und hat etwas von einem gediegenen Kurort. Leider hat sie, im Gegensatz zu den meisten spanischen Städten, keine besonders schöne Altstadt, da bei einem großen Brand im Jahr 1941 fast alles zerstört wurde. Vieles wurde zwar wieder aufgebaut, das Stadtbild hat sich aber trotzdem verändert. Dafür profitiert Santander von dem Luxus, direkt vor der Tür ein paar sehr schöne Strände zu haben. Im Sommer sind sie sehr überfüllt, fährt man jedoch ein bisschen weiter raus, findet man immer noch kleine, einsame Sandstrände, versteckt hinter grünen Hügeln.

Kantabrien besteht größtenteils aus Bergen, weshalb die Region früher auch einfach „La Montaña“ genannt wurde. Durchzogen von der kantabrischen Gebirgskette, die sich fast 500 km weit parallel zur Küste zieht, boten die vielen unzugänglichen Täler und Dörfer einen perfekten Nährboden für eine umfangreiche Mythologie. Um Wälder und Flüsse ranken sich Legenden und Mythen, in denen Fabelwesen ihr Unwesen treiben. Dies war auch der Grund, weshalb sich der lokale Dialekt der Asturleonesischen Sprache, das Montañés oder Pasiegu, so lange halten konnte. Auch wenn der Dialekt fast ausgestorben ist und nur noch in ein paar Tälern gesprochen wird, so ist es dennoch erstaunlich, denn Kantabrien war von Anfang an Teil des Kastilischen Königreichs, d.h. seit fast 1000 Jahren dem Einfluss der Spanischen Sprache ausgesetzt, die, paradoxerweise, auch genau hier, im Süden Kantabriens, dem Süden des Baskenlandes, La Rioja und im Norden von Burgos, entstanden war und sich schnell zur Sprache des spanischen Hofes entwickelte und dadurch alle anderen Sprachen verdrängte. Der heutige Einfluss des kantabrischen Dialekts im Spanischen der Region reduziert sich auf einzelne Wörter und Redewendungen. So wie es bei uns in Hamburg mit plattdeutschen Wörtern passiert. Wir sprechen zwar größtenteils Hochdeutsch, aber ohne Wörter wie duun, plietsch, dröge, klönen, schnacken, Döösbaddel, schmöcken, tüdelig, krüsch, luschern, pieschern, muksch und Redewendungen wie „in’n Tüddel kommen“ oder „klei mi an’n Moors“ wäre Hamburg doch nur halb so schön. Und auf ein „Danke“ mit einem „Da nich für“ zu antworten…es gibt für mich nichts schöneres!

Kantabrien ist zwar klein, hat aber viel zu bieten. In Comillas steht das „Capricho de Gaudí“ (die Laune Gaudís), ein Sommerlandhaus, das von Gaudí gebaut wurde, und irgendwie aussieht, als wäre es aus Lego gebaut worden. Außerdem findet man hier noch weitere Häuser von Gaudí und anderen Architekten des Modernisme, und oben auf einem Hügel thront das Gebäude der Fundación Comillas (vom katalanischen Architekten Lluís Domènech i Muntaner), einem Institut, dass sich der spanischen Sprache und Kultur widmet. Vielleicht werde ich diesen Sommer da sein, denn sie bieten Stipendien für Spanischstudenten aus dem Ausland an.

In San Vicente de la Barquera, ganz im Westen, ist man umringt von mittelalterlichen Häusern, einer Burg und einer, zum Teil noch gut erhaltenen, Stadtmauer, und umgeben vom Naturpark Oyambre, der wunderschöne Strände und Steilküsten beherbergt. Santillana del Mar kennt man auch als das „Dorf der drei Lügen“, denn es ist weder heilig (santa), flach (llana), noch hat es Zugang zum Meer (mar). Doch es ist ein wunderschönes Dorf, nicht umsonst gehört es zu den schönsten Dörfern Spaniens. Man atmet hier regelrecht Geschichte ein, die vielen Gebäude aus dem 11. Jahrhunder, die kleine, gepflasterten Gassen, die von kantabrischer Architektur nur so strotzen und das Museum der Inquisition katapulieren einen sofort in das späte Mittelalter.

Ein weiterer interessanter Ort ist der Parque de la Naturaleza Cabárceno, ein Wildpark der in einem Karstgebiet bei Cabárceno angelegt wurde. Da die Gehege in natürlichen oder durch Menschenhand erschaffene Täler liegen, werden keine Zäune benötigt. Dadurch entsteht der Eindruck die Tiere wären frei. Auch wenn ich sonst kein großer Fan von Wildparks oder Zoos bin, kann ich einen Besuch hier nur empfehlen. Die Tiere leben in sehr weiträumigen Gehegen, durch Felsen getrennt, und sind meist nur von oben zu sehen. Wenn man sie denn sieht.

Dies war nur ein Teil von dem, was es in Kantabrien alles zu entdecken gibt, aber für heute ist erstmal Schluss im „La Tierruca“ (das Ländchen), wie die Einheimischen ihr Land liebevoll nennen.

 

 

 

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4 Gedanken zu “Kantabrien

  1. Vielen Dank! Ich bin eine „cántabra“ die in Deutschland seit 3 Jahren wohnt, und ich erzähle meinen Freunden hier viel über Kantabrien und sie sind immer schockiert wenn sie neue Fakten über meiner Heimat entdecken die nicht zu tun haben von seine Vorstellung von Spanien. Und dieser Post ist einer perfekte Zusammenfassung die ich benutzen kann hehe Mega coole Post! 😊😊 Weiter so

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