Essgewohnheiten

Langsam ist es wohl auch vielen in Deutschland aufgefallen, dass Spanier generell etwas andere Essgewohnheiten haben als Deutsche. Auch wenn das wieder nur Schubladendenken ist, denn nicht alle Deutschen essen zur selben Uhrzeit, genauso wenig wie alle Spanier. Aber es gibt schon ein paar generelle Unterschiede. Im Gegensatz zu den Deutschen, für die das Frühstück eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste, Mahlzeit des Tages ist, frühstücken Spanier nicht. Einen Kaffee, ja. Vielleicht einen Keks dazu. Das war’s. Es ist üblich, auf dem Weg zur Arbeit bei seiner Stammbar Halt zu machen und einen Kaffee zu trinken, während man sich mit Bekannten unterhält. Kurz anzumerken wäre wohl, dass das Konzept einer Bar in Spanien ein anderer ist als in Deutschland. Die Bar ist fast wie das zweite Zuhause vieler Spanier. Hier trifft man Nachbarn, Freunde, Familie, klönt mit der Bedienung oder dem Besitzer. Jedes noch so kleine Dorf hat seine Bar, denn generell spielt sich das Leben in Spanien eher auf der Straße ab als im Haus.

Zurück zum Frühstück. Wenn man morgens nicht frühstückt, nimmt man sich oft etwas Süßes mit, um es dann zwischen 10 und 11 Uhr zu essen (meist ein Croissant oder so). Mittagessen gibt es später als in Deutschland, meist erst gegen 14:30 Uhr. Je nachdem, wie es bei der Arbeit geregelt ist, natürlich. In den Städten ist es oft auch früher und ohne eine zwei Stunden lange Mittagspause. Zur weltweit bekannten Siesta kommt heutzutage wohl kaum ein arbeitender Spanier unterhalb der Woche. Nach Feierabend wird dann gegessen, oft als wäre es die Hauptmahlzeit des Tages. Normalerweise geschieht dies zwischen 20 und 22 Uhr. Das mag alles etwas komisch anmuten, aber eigentlich hatte es seine Logik. Das Problem ist halt, dass sich die Zeiten geändert haben. Ursprünglich nahmen die Spanier früher fünf Mahlzeiten zu sich. Morgens einen Kaffee oder eine heiße Schokolade mit einem Gebäck (desayuno). Gegen 11 Uhr aß man eine kleine Suppe, oder ein Sandwich (almuerzo). Das Mittagessen (comida) war dann um 15 Uhr (14Uhr Sonnenzeit). Danach wurde sich ausgeruht und nach der Siesta, so gegen 18 Uhr gab es dann noch eine Kleinigkeit (merienda). Und ab 22 Uhr wurde dann geschlemmt. Das Abendessen (cena) fiel schon damals sehr üppig aus. Daher auch die Redewendung: «de buenas cenas están las sepulturas llenas» (die Gräber sind alle voll mit üppigen Abendessen).

Das alles hat eine Erklärung. Wenn die Sonne ihren höchstens Punkt erreicht, also 12 Uhr Sonnenzeit, ist es in Spanien schon 13:30 Uhr. Ganz im Westen, in Galicien, ist es sogar 14:15 Uhr. Klingt komisch? Ist aber so. Und in der Sommerzeit kommt sogar noch eine Stunde hinzu, d.h. wenn die Sonne um 12 Uhr Sonnenzeit im Zenit steht, ist es in Spanien 14:30 Uhr und in Galicien sogar 15:15 Uhr. Das verdanken wir Franco und indirekt auch Hitler. Denn 1942 ließ Franco die Zeitzone Spaniens an die von Deutschland anpassen, als Zeichen seiner Treue zu Hitler.So kam es dazu, dass Portugal und Spanien in unterschiedlichen Zeitzonen liegen. Würde Spanien in der richtigen Zeitzone liegen, wären die Essgewohnheiten gar nicht mehr so eigenartig. Mittag gegessen würde um 13 Uhr und zu Abend würde man um 20 Uhr essen. Natürlich ist es immer noch später als in Deutschland, aber es läge mehr im Rahmen und wäre anderen südeuropäischen Ländern ähnlicher.

Ein Grund für das späte Abendessen ist, dass bei vielen Leuten der Arbeitstag sozusagen geteilt wird. Man fängt morgens an, so wie in Deutschland, hat dann aber zwei Stunden Mittagspause, und muss danach noch einmal ran. Deshalb kommen die Leute auch erst spät nach Hause. In den Städten, vor allem in Madrid und Barcelona, kommt das aber nicht mehr oft vor. Der einzige Ort, wo es Touristen auffällt ist im Restaurant, wenn sie hungrig darauf warten, dass die Küche öffnet, um ihnen das Essen zuzubereiten. Dies wäre alles nur eine interessante, für manche vielleicht auch uninteressante, Randnotiz, wenn es nicht auch Auswirkungen auf die Menschen hätte. Die Spanier, genauso wie jedes Volk der Welt, haben sich seit jeher nach der Sonnenzeit gerichtet. Dadurch, dass nun alles verschoben ist, hat es auch Auswirkungen auf die Produktivität der Leute (bitte nicht falsch verstehen, mir liegt nichts ferner als die Produktivität der Leute zu optimieren). Spanier kommen im Durchschnitt nie auf die acht Stunden Schlaf, die von der WHO empfohlen werden. Da man später Feierabend hat, hat man weniger Zeit für die Familie, Freunde, Freizeit, Sport und den Haushalt. Alles Sachen, denen man sich dann Abends widmen muss. So geht man dann später ins Bett und muss trotzdem früh aufstehen. Deshalb wäre es wohl für alles gesünder, wenn man in Spanien wieder die richtige Zeitzone einführt.

Bei uns Zuhause hatten wir eher spanische Essgewohnheiten, würde ich sagen. Zumindest was das Frühstück anbetrifft, das bis in die Oberstufe hinein aus einem Glas Milch oder später Kaffee und ein paar Keksen bestand. Meine Mitschüler konnten das nicht glauben. Ich habe mich immer gewundert, wenn die anderen Kinder ihre Tupperdosen auspackten und da Unmengen an Obst, Gemüse, belegten Broten etc. rausholten. Mittlerweile hab auch ich mich daran gewöhnt zu frühstücken und möchte es nicht missen. Nur in den Sommerferien, wenn wir bei der Familie sind, kehren wir zu den spanischen Essgewohnheiten zurück. Dann wird nur Kaffee mit Keksen gefrühstückt, um 15 Uhr Mittag gegessen, danach noch lange am Tisch gesessen und geredet, Siesta gemacht und nach 21 Uhr zu Abend gegessen. Ferien, so schön sie auch sind, sind halt eine Ausnahme.

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